Unter minutenlangem Applaus nahm die chinesische Aktivistin Sayragul Sauytbay im Nürnberger Opernhaus am Sonntag den mit 15.000 Euro dotierten Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis 2021 entgegen. Mit der Auszeichnung an die im schwedischen Exil lebende Aktivistin lenkt die Stadt Nürnberg den Blick auf Menschenrechtsverletzungen gegen Muslime in China. Mit der Autorin Alexandra Cavelius ist auf Basis mehrerer Interviews das Buch "Die Kronzeugin" entstanden.
Die Verleihung war wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben worden.
Minderheiten in Internierungslagern gefoltert
In ihrer Dankesrede berichtete Sauytbay von den grausamen Verbrechen an den ethnisch-religiösen Minderheiten in den chinesischen Internierungslagern, denen sie als muslimische Kasachin selbst ausgesetzt war. Die willkürlich Inhaftierten "wurden mit unendlicher Grausamkeit gefoltert und schwebten ständig zwischen Leben und Tod", erzählte Sauytbay, die 2019 nur durch starken zivilgesellschaftlichen und medialen Druck aus China fliehen konnte.
Die Aktivistin appellierte an das Versprechen der Vereinten Nationen nach dem Zweiten Weltkrieg, dass sich solche Verbrechen nie wieder wiederholen dürften. Dieses Versprechen sei durch Chinas Völkermord "nach nur etwas mehr als 70 Jahren gebrochen worden."
Chinas Rolle im Ukraine-Krieg
Sauytbay nahm in ihrer Rede auch Bezug auf Russlands Invasion in der Ukraine. Der Krieg sei nicht nur ein Krieg dieser beiden Länder, sondern auch "Chinas Krieg gegen die Weltdemokratie mithilfe von Russland". Der Krieg sei ein "eklatanter Angriff", während in China ein Krieg herrsche, "bei dem Menschen unbemerkt getötet werden", betonte die Aktivistin. Im Anschluss an ihre Rede sang Sauytbay eine eigens komponierte Hymne über Frieden und Freiheit auf dieser Welt.
Würdigung des Engagements
Jury-Mitglied Iris Berben würdigte in ihrer Laudatio den Mut Sauytbays, das "Erlebte und die Situation in Xingjiang an die Öffentlichkeit zu bringen." Sie führe den Kampf für "die Freiheit vieler Turkvölker", genauso wie für viele Menschen, die "in der Ukraine für ihre Freiheit, ihre Sprache, ihre Kultur, ihre Selbstbestimmung bluten, sterben und ausgelöscht werden sollen". Die Öffentlichkeit durch den Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis solle Sauytbay, trotz der immer wiederkehrenden Drohungen aus China, den nötigen Schutz bieten, ihre Arbeit "in Sicherheit fortsetzen zu können".
Der Nürnberger Oberbürgermeister Markus König (CSU) bezeichnete die Verleihung des Menschenrechtspreises an Sauytbay als Zeichen für die "Anerkennung von Mut und Zivilcourage" und als Auftrag, Menschenrechtsverletzungen anzuprangern. Die grausamen Erlebnisse von Sauytbay stünden exemplarisch für das Schicksal vieler ethno-religiöser Minderheiten in China.
Auch der Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer (Grüne) thematisierte die Beziehung zwischen China und Russland. Bütikofer appellierte, man dürfe sich auch nicht von Ländern wie China abhängig machen.
Internationaler Nürnberger Menschenrechtspreis
Den Menschenrechtspreis vergibt die Stadt seit 1995 alle zwei Jahre. Die Auszeichnung ist laut Satzung ein Symbol dafür, dass von Nürnberg - der einstigen Stadt der nationalsozialistischen Reichsparteitage und der NS-Rassegesetze - "in Gegenwart und Zukunft nur noch Signale des Friedens und der Völkerverständigung ausgehen".
Der Preis wird an Einzelpersonen oder Gruppen verliehen, die sich vorbildlich und unter hohem persönlichen Risiko für die Wahrung der Menschenrechte einsetzen.