Merkel drängt auf Nachfolgeabkommen zu Kyoto

Industrienationen sollen Vorreiter sein

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich für eine globale Führungsrolle der Industrieländer beim Klimaschutz ausgesprochen. "Für mich ist das eine moralische und wirtschaftliche Notwendigkeit", sagte Merkel am Montag beim UN-Klimagipfel in New York. Bis zur Mitte des Jahrhunderts müssten die schädlichen Treibhausgase um mindestens die Hälfte gesenkt werden. Fachleute betonten die Bedeutung des Klimaschutzes für politische Entscheidungen, waren sich jedoch über seine Ursachen und Folgen uneins. "Es geht darum, den Druck auf die USA zu erhöhen", meint Dr. Hermann Ott vom Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie im domradio-Interview.

 (DR)

Außerdem müsse zwischen Industrie- und Schwellenländern ein Weg gefunden werden, „die Gräben zu überbrücken". „Da wird sich mit sehr großem Misstrauen beäugt", beobachtet Dr. Ott. Die jüngste Entwicklung in Sachen Klimadiskussion sei jedoch positiv.

Merkel: Klimaschutz schafft Wohlstand
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in New York für eine globale Führungsrolle der Industrieländer beim Klimaschutz ausgesprochen. "Für mich ist das eine moralische und wirtschaftliche Notwendigkeit", sagte Merkel am Montag (Ortszeit) beim UN-Klimagipfel in New York. Bis zur Mitte des Jahrhunderts müssten die schädlichen Treibhausgase um mindestens die Hälfte gesenkt werden. Nur so könne die Erderwärmung unterhalb des kritischen Wertes von zwei Grad Celsius gehalten werden.

Merkel sagte, bis zur Mitte dieses Jahrhunderts müsse der Ausstoß von gefährlichen Treibhausgasen weltweit mindestens um die Hälfte reduziert werden. Im Unterschied zur US-Regierung, die sich trotz internationaler Kritik auf keine verbindlichen Reduktionsziele verpflichten will, drängte Merkel erneut auf ein globales Klimaabkommen unter dem Dach der Vereinten Nationen. Nur auf diesem Wege seien ein fairer Ausgleich der Interessen und wirtschaftliche Anreize für Entwicklung und Einsatz neuer Umwelttechnologien zu erreichen. Die Bundeskanzlerin betonte zudem, dass Klimaschutz Wohlstand schaffe. "Wir können gewaltige Potenziale zur Minderung von Emissionen erschließen  indem wir moderne Technologien nutzen und weiter entwickeln."

Signal nach Bali
Zu Begin der eintägigen Konferenz hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon einen dramatischen Appell an die UN-Mitglieder gerichtet. "Falls wir jetzt nicht handeln, werden die Folgen niederschmetternd sein", sagte Ban. Indirekt übte Ban Kritik an den USA, die einem Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll skeptisch gegenüberstehen. Ban sagte, der Herausforderung des Klimawandels könne nur durch globale Kooperation aller Länder begegnet werden.

US-Präsident George W. Bush war bei dem Treffen nicht anwesend. In dieser Woche will die US-Regierung eine eigene Konferenz zum Klimawandel in Washington einberufen. Bush favorisiert laut US-Regierungskreisen freiwillige Initiativen der Staaten zum Klimaschutz.

Arme Länder brauchen besondere Hilfe
An der Konferenz nahmen nach UN-Angaben 140 Länder teil, darunter rund 70 Staats- und Regierungschefs. Die Delegierten fassten keine Beschlüsse. Das Treffen in New York sollte laut Ban ein Signal an die UN-Klimakonferenz im Dezember in Bali senden. Auf der indonesischen Insel sollen die Vorarbeiten für ein Kyoto-Nachfolgeabkommen beginnen. Ban betonte, dass arme Länder besondere Hilfe beim Klimaschutz bräuchten.

Politiker aus Entwicklungsländern wie der Präsident von Osttimor, José Ramos-Horta, wiesen darauf hin, dass ihre Länder besonders vom Klimawandel betroffen seien, obwohl sie die Erderwärmung nicht verursacht hätten.

Mojib Latif glaubt nicht an Durchbruch
Der Kieler Klimaforscher Mojib Latif sagte den Dortmunder "Ruhr Nachrichten" (Dienstagausgabe), er glaube nicht an einen Durchbruch zum Klimaschutz beim Gipfel in New York. "Dass sich die USA auf verbindliche Ziele zur Reduktion von Kohlendioxid einlassen, ist mehr als unwahrscheinlich", sagte er. Auch Deutschland sei nicht glaubwürdig. 2006 sei der Treibhausgas-Ausstoß in der Bundesrepublik gestiegen. "Angela Merkel mag auf der internationalen Bühne zwar die große Klimaschützerin spielen. Aber irgendwann muss auch mal etwas Konkretes im eigenen Lande geschehen", sagte Latif.

Die Zeitung "Die Welt" (Dienstagausgabe) berichtete vorab unter Berufung auf eine Umfrage der Universität Mainz unter mehr als 130 deutschen Fachleuten, Experten seien der Meinung, der Kampf gegen den Klimawandel habe als Letztbegründung von Macht- und Gestaltungsansprüchen in Deutschland die Funktion übernommen, die Nation und Religion in der Vergangenheit besaßen. Der Klimaschutz legitimiere staatliche Eingriffe in die Energieversorgung, die Technologieförderung und den Wohnungsbau. "Mit dem Klima kann man alles begründen - von Subventionen für Wind- und Solarenergie, Vorschriften für den Bau von Eigenheimen und bis hin zur steuerlichen Behandlung von Dienstwagen", zitierte das Blatt aus der Erhebung.

Zugleich habe die Umfrage deutliche Unterschiede in der Einschätzung der Klimaentwicklung gezeigt, schrieb die Zeitung. 84 Prozent der Klimaexperten seien der Meinung, dass die klimatischen Prozesse noch nicht hinreichend verstanden seien. 46 Prozent gaben dem Menschen die Hauptschuld am Klimawandel, 27 Prozent eine Mitschuld. Ein gutes Viertel halte den Menschen für nicht verantwortlich für die Erderwärmung. Nur eine knappe Mehrheit der Forscher sehe in den Folgen des Klimawandels Gefahren für die Menschen.