Merkel und Steinmeier lassen Datum für Bundeswehr-Abzug offen

Betrugsvorwürfe nach Wahl in Afghanistan

Nach der Präsidentenwahl in Afghanistan mehren sich Betrugsvorwürfe und Berichte über Unregelmäßigkeiten bei dem Urnengang. Die Wahlbeschwerdekommission in Kabul registrierte 225 Beschwerden. Derweil lehnten es Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier ab, sich auf ein Datum für den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan festzulegen.

 (DR)

Der stärkste Gegenkandidat des amtierenden Präsidenten Hamid Karsai, Abdullah Abdullah, sagte am Sonntag dem britischen Sender BBC, es gebe Hinweise auf massiven Wahlbetrug.

Die unabhängige afghanische Wahlkommission dementierte am Sonntag einen Bericht der Nachrichtenagentur PAN, wonach Amtsinhaber Karsai bei der Auszählung mit 71 Prozent in Führung liegt. Bevor Resultate veröffentlicht werden könnten, müssten die Manipulationsvorwürfe geklärt werden, erklärte die Kommission.

Die Bekanntgabe des Endergebnisses, die ursprünglich für den 17. September geplant war, könnte sich in der Folge hinauszögern. Damit würde sich auch das Datum für eine mögliche Stichwahl zwischen Karsai und Abdullah weiter nach hinten verschieben. Die mögliche zweite Runde der Wahl ist bislang für Oktober vorgesehen.

Mindestens 26 Tote am Wahltag
Millionen Afghanen hatten am Donnerstag den Drohungen der Taliban getrotzt und waren zur Abstimmung gegangen. Die radikal-islamischen Kämpfer hatten zu einem Boykott der Wahl aufgerufen. Am Wahltag kam es im Land zu Anschlägen und Übergriffen, bei denen mindestens 26 Menschen starben. In der Gegend von Kandahar, im Süden des Landes, schnitten die Taliban zwei Wählern die Zeigefinger ab. Am Freitag hatten sich sowohl Karsai als auch Abdullah zu Wahlsiegern erklärt.

Internationale Wahlbeobachter bezeichneten den Wahlverlauf als generell fair. Der Chef der EU-Wahlbeobachtermission, Philippe Morillon, sagte, der Urnengang sei jedoch wegen des Terrors in einigen Teilen des Landes nicht "frei" gewesen.

Debatte in Deutschland
In Deutschland ließen Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier unterdessen offen, wann die Bundeswehr aus Afghanistan abgezogen werden soll. "Wir haben ein Ziel, das heißt selbsttragende Sicherheit in Afghanistan", sagte Merkel im ZDF-Sommerinterview, das am Sonntagabend ausgestrahlt werden sollte. Je schneller dieses Ziel erreicht sei, desto eher könne der afghanischen Regierung die Verantwortung übergeben werden. Eine konkrete Jahreszahl für einen Abzug wollte sie indes nicht nennen: "Das eint mich mit dem Außenminister."

Zuvor hatte Steinmeier im "Spiegel"-Interview erklärt, er werde im Falle eines Sieges bei der Bundestagswahl am 27. September einen "konkreten Fahrplan" für den Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan aushandeln. Er werde "als Kanzler darauf drängen, dass wir mit der neuen afghanischen Regierung eine klare Perspektive für Dauer und Ende des militärischen Engagements erarbeiten". Ein Datum für den Abzug festzulegen, nannte Steinmeier unverantwortlich, weil das "nur die Taliban ermuntern würde, sich bis dahin auf die Lauer zu legen". Derzeit sind etwa 4.200 Bundeswehr-Soldaten am Hindukusch im Einsatz.

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), kritisierte Forderungen nach einem baldigen Abzug der Bundeswehr als Populismus. Viele Bundeswehrangehörige seien schon mehrfach in Afghanistan gewesen und sähen positive Veränderungen, sagte er der "Saarbrücker Zeitung" (Montagsausgabe). Sie empfänden das auch als ihren Erfolg, für den ein Blutzoll gezahlt worden sei. "Da sind sie gegenüber demagogischen Äußerungen verständlicherweise sehr empfindlich."