KNA: Herr Hauck, seit einem Jahr können Sie ihren "Patienten" Kölner Dom diagnostizieren. Welche Therapien sind vorrangig?
Hauck: Derzeit gibt es zwei Brennpunkte, wo dringend was geschehen muss: Die Außenfassaden der Chorkranzkapellen und die des Südturms. An manchen Stellen des Turms mussten wir bereits prekäre Situationen entschärfen und absturzgefährdete Steine abnehmen oder so sichern, dass nichts passieren kann.
KNA: Was genau ist zu tun?
Hauck: Der mittelalterliche Trachyt-Stein muss restauriert werden. Unter anderem dazu haben wir in den zurückliegenden Monaten eigens eine Restauratorenwerkstatt eingerichtet. Drei Steinrestauratoren werden künftig daran arbeiten, das alte verwitterte Material zu sichten, auszubessern und zu festigen. Dabei wollen wir möglichst viel Originalsubstanz erhalten.
KNA: Aber in der Dombauhütte haben doch immer schon viele Steinmetze gearbeitet?
Hauck: Die Steinmetze haben andere Aufgaben, etwa beschädigte oder fehlende Figuren neu zu schaffen. Die Steinrestauratoren kümmern sich um altersschwache Strukturen, die erhalten bleiben sollen.
KNA: Wie viel Substanz lässt sich denn erhalten?
Hauck: Das wissen wir noch nicht. Dazu benötigen wir noch Erfahrungen und genaue Analysen - etwa wie nachhaltig eine Konservierung oder Restaurierung sein kann, oder wie beständig Ersatzmaterialien für notwendige Ergänzungen sind.
KNA: Das klingt nach einem Projekt, das auf Jahrzehnte angelegt ist...
Hauck: So ist es. Um genau zu dokumentieren, wie der Stein aussieht, welche Veränderungen wir vornehmen und wie diese sich auswirken, haben wir eigens zwei Fotografinnen eingestellt, die alle Werkprozesse im Bild festhalten.
KNA: Reichen die finanziellen und personellen Mittel aus?
Hauck: Wir haben derzeit einen Jahresetat von etwa 7 Millionen Euro und beschäftigen gut 90 Mitarbeiter in der Dombauhütte. Das reicht aus. Ich bin dankbar für die Arbeit des Zentralen Dombauvereins, der viele Kölner Bürgerinnen und Bürger motiviert, sich für den Dom zu engagieren - etwa durch das Patenschaftsprogramm für die rund 400 Figuren an den 9 Portalen. Das Erzbistum und das Metropolitankapitel steuern erhebliche Mittel bei. Und ich freue mich, dass das Land NRW den Erhalt des Doms weiterhin im Rahmen des Denkmalschutzes fördert. Das ist nicht selbstverständlich.
KNA: Welche Überraschungen hat es in Ihrem ersten Jahr gegeben?
Hauck: Die größte Überraschung waren die Erschütterungen durch die neue U-Bahn-Linie 5.
KNA: Anfang Februar wurde beschlossen, das Dom-Zittern durch eine neue Schienen-Lagerung zu begegnen. Wie gehen die Arbeiten voran?
Hauck: Sie haben noch gar nicht begonnen. Noch sind die Gutachter damit beschäftigt, die Ursachen zu ermitteln. Ich gehe jedoch davon aus, dass sich Domkapitel, Stadt und Kölner Verkehrs-Betriebe noch in diesem Jahr verständigen werden.
KNA: Nach wie vor ist der Kölner Dom die Sehenswürdigkeit, die in Deutschland am meisten Besucher anzieht. Wie erklären Sie sich das?
Hauck: Der Dom ist als Ganzes ein unglaublich faszinierendes Gebilde. Er hat nicht nur den Welterbe-Titel, er ist tatsächlich ein Weltereignis. Zwei Tage nach Bekanntwerden der U-Bahn-Probleme erreichte mich eine besorgte Anfrage der UNESCO - samt Pressespiegel mit Artikeln von der "Prawda" bis hin zur "China Daily" über den Vorfall. Daran lässt sich ablesen, welchen Stellenwert der Dom weltweit hat.
KNA: Die ewige Baustelle verschlingt Unmengen Geld - viel mehr noch als der Berliner Flughafen...
Hauck: Dieser Vergleich hinkt hinten und vorne. Wer einen Flughafen baut, kann mit den heutigen Erkenntnissen und Erfahrungen ganz genau berechnen, wie viel Material, Arbeitsaufwand und Geld notwendig sind. Der mittelalterliche Mensch dagegen konnte gar nicht wissen, wo die Reise beim Dombau hingeht und was sie kostet. Der Dombau ist allenfalls mit zeitgenössischen Forschungs- und Entwicklungsprojekten wie der Quantenphysik oder der Besiedelung des Mars zu vergleichen.
KNA: Wie fühlen Sie sich als Niederbayer im Rheinland?
Hauck: Sehr gut. Ich mag den sehr direkten und hintergründigen Humor. Letztens entdeckte ich an einer Laterne am Roncalli-Platz ein Schild, das einem echten Straßenschild nachempfunden war. Darauf stand "Snowden-Platz" - eine wunderbar witzige wie ernste Kritik an den Geheimdiensten.
KNA: Und schmeckt Ihnen das Kölsch?
Hauck: Ja - allerdings nicht jede Sorte. Im übrigen stelle ich mit Vergnügen fest, dass inzwischen zwei Kölsch-Brauereien Weizenbier herstellen. Eine davon wirbt mit dem Slogan "Fremd gehen ohne schlechtes Gewissen". Einfach klasse dieser kulturelle Brückenschlag und die humorige Art, mit der man sich dem Weißwurstäquator annähert.
Das Interview führte Andreas Otto.