Militärbischof Overbeck zu den veränderten Aufgaben der Militärseelsorge

Ethische Perspektiven eröffnen

Die Bundeswehr steht vor dem großen Wandel. Die Reform sieht eine drastische Verkleinerung der Truppe vor, von 150.000 Soldaten weniger ist die Rede. Dazu kommen Standortschließungen und weitere Sparmaßnahmen. Im domradio.de-Interview: Militärbischof Overbeck zur zukünftigen Rolle der Militärseelsorge in dieser veränderten Bundeswehr.

Militärbischof Overbeck im Gespräch mit domradio.de-Redakteur Johannes Schröer (DR)
Militärbischof Overbeck im Gespräch mit domradio.de-Redakteur Johannes Schröer / ( DR )

domradio.de: Wird die Militärseelsorge bei einer kleiner werdenden Truppe und den drastischen Einsparungen eigentlich auch hinterfragt?--
Bischof Franz-Josef Overbeck: Die Militärseelsorge wird auf diese Strukturveränderungen zu antworten haben. An sich und als solche hinterfragt wird sie gar nicht, weil sie hoch wertgeschätzt ist. Wenn die Pläne in der nächsten Woche öffentlich sind, werden wir zu schauen haben, was das für die Struktur unserer Seelsorge bedeutet.

domradio.de: Wie soll denn das Profil der Kirche unter den Soldaten in Zukunft aussehen - darüber beraten Sie ja derzeit mit den Militärseelsorgern in Berlin?--
Overbeck: Es gibt verschiedene Schwerpunkte, die zu beachten sind. Einer der wichtigsten und vordringlichten Punkte wird sein, eine gute Seelsorge für die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, sprich in den Auslandseinsätzen sicherzustellen. Eine zweite Priorität wird vor allem sein, auch die Familienangehörigen in Deutschland, in der Heimat zu begleiten, aber auch eben auch für die Soldaten/-innen, die hier stationiert sind, zur Verfügung zu stehen. Und ein dritter Punkt ist die Erteilung des in ökumenischer Verantwortung wahrgenommenen seelsorgerischen lebenskundlichen Unterrichts.



domradio.de: Die Bundeswehr soll kleiner werden, es ist zu erwarten, dass dadurch auch noch einmal der Anteil der Christen bei der Truppe stark verringert wird. Muss die Ausrichtung der Militärseelsorge dadurch verändert werden?

Overbeck: Das entspricht dem doppelten Auftrag der Kirche, die einmal den Auftrag hat, für die Katholiken dazusein und ihnen die Seelsorge angedeihen zu lassen - das werden wir weiter mit großer Selbstverständlichkeit tun. Und das andere ist, einen Verantwortungsauftrag - gerade in Hinblick auf Ethos und Moral - für die Gesamtgesellschaft wahrzunehmen, der auch unserem Selbstverständnis entspricht. Ich erlebe in weiten Teilen - egal wieviel oder wie wenig Katholiken es vor Ort sind (das ist sehr unterschiedlich) - eine höchste Wertschätzung der katholischen Kirche und ihrer Seelsorge.



domradio.de: Sie haben vor kurzem die Bundeswehr in Afghanistan besucht - inwiefern spielen Ihre Eindrücke von dort nun auch eine Rolle bei der Ausrichtung der zukünftigen Militärseelsorge?

Overbeck: Die Zukunft der Militärseelsorge wird sich sehr intensiv mit den friedensethischen Perspektiven und der Frage: Wie kann mehr Gerechtigkeit in der Weltgesellschaft hergestellt werden? beschäftigen müssen. Und welchen Beitrag wir im Kleinen, im täglichen Alltag dazu leisten können. Die Eindrücke, die wir und ich beim Besuch der Truppe in Afghanistan gesammelt haben, waren sehr von kriegähnlichen Zuständen geprägt, und das bedeutet in dieser wirklich schwierigen Lage allen, die darum bitten, die danach fragen, den seelsorgerisch nötigen Beistand zukommen zu lassen. Und gleichzeitig ethische Perspektiven zu eröffnen, die für alle von Belang sind.



domradio.de: Bleiben wir bei Afghanistan: Am Rande der Konferenz haben Sie gestern den Truppenabzug aus Afghanistan begrüßt - der soll ja schon Ende des Jahres langsam beginnen. Ihr evangelischer Kollege Militärbischof Martin Dutzmann sieht dies kritisch und spricht von einer Gefährdung des Friedens im Land - sind Sie da uneins mit Ihrem evangelischen Kollegen?

Overbeck: Nein, es geht darum, dass der katholisch Militärbischof zu bewerten hat: Was geschieht eigentlich, wenn politisch entscheiden wird, dass die Truppe geht. Das ist eine politische Entscheidung, die nicht in den Kompetenzbereich des katholischen Militärbischofs fällt, und dabei habe ich immer darauf Wert gelegt zu sagen: Es ist nach bestem Wissen und Gewissen und den Möglichkeiten, die wir haben, sicherzustellen, dass kein Bürgerkrieg folgt, dass die Errungenschaften in Hinblick auf die Rechte der Frau, die Bildung der Kinder und Jugendlichen nicht wieder geschmälert werden. Und das zivile Kräfte gestärkt werden, die für Sicherheit, Ruhe und Ordnung und auch für Verlässlichkeit sorgen. Bei meinem Besuch in Afghanistan hab ich sehr deutlich gesehen, wie groß die Anstrengungen in diesem Bereich schon sind, sprich: hinsichtlich der zu bewältigenden zivilgesellschaftlichen Aufgaben. Da besteht unser Auftrag weiterhin, alles andere ist aber eine politisch-militärische Entscheidung, die dort zu fällen ist, wo die Verantwortung liegt, nämlich in der Politik.



Das Interview führte Monika Weiß.



Hintergrund

Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck hat die Pläne zum Truppenabzug aus Afghanistan begrüßt. Ungeachtet der Motive für den Einsatz, sei es sei politisch wichtig, ein Datum anzugeben, ab dem die ausländische Militärpräsenz verringert werde, sagte Overbeck am Dienstag bei der 56. Gesamtkonferenz der katholischen Militärseelsorge in Berlin. Dies sei ein Zeichen der Bereitschaft, die Konflikte auch mit anderen Mitteln lösen zu wollen, betonte er.



Der Abzug der ersten deutschen Soldaten soll zum Jahresende beginnen. Die internationale Gemeinschaft will die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan bis 2014 ganz an die einheimischen Kräfte übertragen. Der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann hatte am Wochenende in Essen vor einem übereilten Abzug gewarnt, weil dies den Frieden in dem Land gefährde.



Overbeck hatte vor zwei Wochen erstmals seit seinem Amtsantritt im Mai die Truppen in Afghanistan besucht. Nach 40 Jahren Krieg gebe es dort weiterhin ein hohes Gewaltpotenzial, erklärte er. Auch ein späterer Truppenabzug als nun geplant werde nichts an dieser Situation ändern. Es stelle sich die Frage, ob der Einsatz noch angemessen sei oder ob andere Mittel dazu beitragen könnten, die Konflikte zu lösen. Der Militärbischof äußerte die Hoffnung, mit zivilen Kräften einen Bürgerkrieg in Afghanistan verhindern zu können.



Overbeck erklärte, auch bei künftigen Auslandseinsätzen der Bundeswehr stelle sich die Frage, ob Einsatz und Ergebnis verhältnismäßig seien. Maßstäbe seien unter anderem der Schutz von Menschenwürde und Menschenrechten. Wenn deutlich werde, dass durch militärische Mittel mehr Friede und Gerechtigkeit nicht zu erreichen sei, müsse sich auch die Kirche zu Wort melden.



Der Militärbischof äußerte sich auch zu den Konsequenzen der Bundeswehrreform für die Militärseelsorge. Sie müsse in ihren Grundaufgaben auch dann erhalten bleiben, wenn die Truppenstärke reduziert und Standorte geschlossen würden, betonte Overbeck. Militärseelsorge sei kein Privileg, sondern sichere das Recht auf Religionsfreiheit der Soldatinnen und Soldaten. Der Mangel an Seelsorgern und finanziellen Mitteln stelle jedoch wachsende Herausforderungen für diesen Dienst dar. Von den rund 200 Militärseelsorgern in der Bundeswehr ist etwa die Hälfte katholisch. Sie erteilen den Soldaten unter anderem lebenskundlichen Unterricht und betreuen sie und ihre Familien. (Quelle: KNA)