Militärdekan hofft auch nach Unglück auf Zukunft für die "Gorch Fock"

"Friedlicher Botschafter"

In der Affäre um die "Gorch Fock" hat der katholische Militärdekan Rainer Schadt bedauert, dass zum Zeitpunkt des Unglücks kein Seelsorger an Bord war. Im Interview mit domradio.de spricht er über mögliche Ursachen der Vorfälle - und plädiert für eine Fortsetzung der Ausbildung auf dem Segelschulschiff.

 (DR)

domradio.de: Wie bewerten Sie die Reaktion zu Guttenbergs?

Schadt: Der Minister musste so reagieren - auch zum Schutz des Kommandanten der Gorch Fock. Ich kenne übrigens den Kapitän, und ich glaube, dass er auch diese Maßnahme gerne für sich in Anspruch nimmt. Es geht ja nicht um eine Entlassung, sondern er ist zunächst von seinen Pflichten entbunden. Ganz einfach, weil jetzt Untersuchungen eingeleitet werden, um den Dingen auf den Grund zu gehen.



domradio.de: Hätte der Kapitän aber nicht vor seiner Abberufung die Chance haben müssen, Stellung zu den Vorwürfen zu beziehen?

Schadt: Ja, ich denke schon. Ich bin mir nicht sicher, ob er es vielleicht nicht schon getan hat. Unabhängig davon hat der Minister eine Untersuchungskommission auf den Weg gebracht. Die Gorch Fock ist zurzeit sehr weit weg. Und das dauert alles eine gewisse Zeit. Ich nehme an, dass der Minister so entschieden hat, um den Kommandanten zu schützen und ihm etwas Ruhe zu gönnen.



domradio.de: Es scheint sich bei den Vorwürfen nicht nur um die Meuterei zu handeln und den Tod der Kadettin...

Schadt: Ich tue mich als katholischer Dekan für die deutsche Marine mit Begriffen wie Meuterei ein bisschen schwer. Das erinnert an die Bounty.



domradio.de: Wie würden Sie es denn beschreiben?

Schadt: Ohne die Situation vor Ort zu kennen, denke ich, weil ich schon auf der Gorch Fock mitgefahren bin, dass es im Zusammenhang mit dem tödlichen Unglück, mit dem Absturz der Soldatin von dem Mast, natürlich zu massiven Verstörungen und Verwerfungen innerhalb der Crew der auszubildenden Offiziersanwärtern gekommen ist. Und leider Gottes hatten wir zu diesem Zeitpunkt keinen Seelsorger an Bord, der vielleicht hätte helfend, schützend, betreuend, begleitend hätte eingreifen können. Leider hatten wir das nicht. Aber wir wollen das im Moment verändern und die Crew begleiten, jetzt wenn sie nach Hause fährt. Ich kann mir in etwa vorstellen, was an Gruppendynamik geschehen ist. Und wie auch Soldatinnen und Soldaten ihren Frust, ihr Leid, ihren Schmerz und ihre Trauer auch dann äußern.



domradio.de: Eine ehemalige Rekrutin sprach von unhaltbaren Zuständen auf dem Schiff. Was ist Ihnen bekannt über die Ausbildung auf der Gorch Fock?

Schadt: Wir müssen zunächst davon ausgehen - wenn man schon mal auf dem Schiff war, kann man das auch erahnen und spüren: Seefahrt ist nicht ungefährlich. Das mag jetzt eine Binsenweisheit sein, aber zur See zu fahren an Bord eines Großseglers, ist noch einmal gefährlicher. Der Umgang mit der Natur, mit den Gewalten, mit dem Meer, mit dem Wind, all das hat eine besondere Bedeutung und erfordert Kraft - nicht nur physische Kraft, häufig auch psychische Kraft  -, sich diesen Dingen zu stellen. Wir kommen, wenn wir von zu Hause zur Bundeswehr kommen, mit einem Metier zusammen, das zunächst der Gewöhnung und des Einübens bedarf. Und es kann passieren, dass jemand physisch und psychisch den Belastungen nicht Stand hält. Dann aber muss die Ausbildung in der Lage sein, besonders die Ausbilder müssen in der Lage sein, diese Phänomene zu erkennen. Und müssen rechtzeitig dafür Sorge tragen, möglichst umfassend dafür Sorge tragen, dass solche Unglücke nicht geschehen können.



domradio.de: Wenn Sie das alles so erklären, wird es umso weniger verständlich, warum kein Seelsorger vor Ort ist. Warum ist das denn so?

Schadt: Das liegt manchmal einfach an technischen Dingen: dass zu diesem Zeitpunkt gerade ein Crewwechsel stattgefunden hat, dass auch die Seelsorger getauscht haben. Und das Unglück ist leider geschehen zu einem Zeitpunkt, als kein Militärseelsorger mit an Bord war - weil das Schiff in einem Hafen lag und ein Crewwechsel stattfand. Das ist traurig genug.



domradio.de: Wie geht es nun weiter auf der Gorch Fock?

Schadt: Ich hoffe sehr, dass man sie nicht an die Kette legt. Weil dieses Schiff seit beinahe 50 Jahren ein friedlicher Botschafter unseres Landes ist, eines der Aushängeschilder der Bundesrepublik Deutschland - hoffentlich auch weiterhin. Vielleicht überdenkt man bestimmte Ausbildungskonzeptionen, erhöht die Sicherheitsstandards für die jungen Menschen, die die Seefahrt ja erst erlernen, wenn sie an Bord der Gorch Fock gehen! Ich hoffe sehr für dieses Schiff, für seine Crew und seinen Kommandanten, dass sie weiterhin zur See fahren wird.



Das Gespräch führte Simone Bredel.