DOMRADIO.DE: Müssen Sie lachen, wenn jemand nach spätestens zehn Kilometern nicht laufen mehr will?
Beate Steger (Pilgerexpertin): Wenn ich einen Tag lange gegangen bin, bin ich froh, wenn ich mal eine kürzere Strecke gehen kann. Ich habe mal einen getroffen, der konnte gesundheitsbedingt nur zehn Kilometer auf dem Jakobsweg in Spanien machen. Das hat funktioniert.
DOMRADIO.DE: Beim Pilgern hat man oft brachiale Touren im Kopf. Beim Jakobsweg sind es 30 Kilometer täglich. Sie haben schon gesagt, das man das anders machen kann. Aber es geht ganz anders. Man kann auch nur 500 Meter bis drei Kilometer gehen.
Steger: Die Mini-Pilgerwege sind nicht als Tagesetappen gedacht, sondern für die Mittagspause oder mal zwischendrin zum Abschalten. Man kann gucken, ob es möglich ist mit einem Kinderwagen pilgern zu gehen. Das gilt auch für junge Familien, die Oma mit dem Rollator oder der Opa im Rollstuhl. Dafür bieten sich diese Mini-Pilgerwege an.
DOMRADIO.DE: Wo gibt es die?
Steger: Es gibt einmal die Initiative Franziskuswege zum Sonnengesang. Das sind Menschen, die den Sonnengesang großartig finden, die sich zusammengeschlossen haben. Dazu legen sie Besinnungswege an. Die sind überall, zum Beispiel in Deutschland, in Österreich, in Tschechien und in Italien.
Die haben eine große Internetseite, auf der es diese Wege gibt. Die sind zum Teil 500 Meter oder drei Kilometer lang. Es können auch sieben oder neun Kilometer sein. Es gibt jede Menge. Auf dem Weg sind Impulse zu sehen, Kunst oder es gibt etwas zu lesen. Vielleicht gibt auch eine kleine Kapelle. Man hat die Qual der Wahl.
DOMRADIO.DE: Was macht die Initiativgruppe? Pflegen und halten sie die Wege begehbar, so wie das ein Alpenverein macht?
Steger: Ja, genau. Die treffen sich einmal im Jahr und haben eine große Besprechung, weil die über mehrere Länder verteilt sind und initiieren das. Manchmal machen sie es selber oder sie fragen vielleicht bei einem Kloster oder bei einer Gemeinde an, wenn die etwas haben, dass mit Franziskus zusammenpasst. So sind die tätig.
DOMRADIO.DE: Ist es möglich, erst ganz am Ende in einen Pilgerweg einzusteigen? Kann man aus einem großen Pilgerweg einen Mini-Pilgerweg machen?
Steger: Das geht natürlich auch. Man hat dann die Sache mit der An- und Abreise, weil es keine Rundwanderwege sind. Wenn man beispielsweise Richtung Trier zum Matthias-Kloster pilgern möchte, dem einzigen Apostelgrab nördlich der Alpen, kann man das als Ende definieren. Man fängt dann so viele Kilometer, wie man halt laufen möchte, vorher an.
DOMRADIO.DE: Gibt es auch einen Mini-Pilgerweg, der nicht so mini ist? Etwas für einen Tag mit An- und Abreise?
Steger: Es gibt solche Wege, die auf den Heiligen Jodokus zurück gehen. Ich kenne zwei Wege. Einen davon bin ich gegangen. Der eine ist in Hessen beim Fischbachtal, der ist 22 Kilometer lang. Das ist eine ordentliche Etappe. Eine richtige Tagesetappe, wie man sie auch beim Pilgern über mehrere Tage oder Wochen gehen würde.
Die ist als Rundwanderweg angelegt. Mit der An- und Abreise hat man es so nicht schwer. Notfalls kann man mit dem Auto hin und wieder zurück fahren. Etwas ähnliches gibt es in der Eifel bei Langenfeld. Der Rundwanderweg hat nur zwölf Kilometer.
Das kam dadurch zustande, dass es dort Wallfahrtskapellen oder Kirchen zum Heiligen Jodokus gegeben hat oder gibt. Der Heilige Jodokus war selber Pilger. Der kommt aus der Bretagne und wird als Heiliger verehrt. Er wird in Kirchen oft wie der Apostel Jakobus dargestellt. Man muss genau hinschauen, wer es mit dem Pilgermantel oder sogar mit der Pilgermuschel ist. Der Jodokus ist nach Rom gepilgert. Aus dem Grund wird er als Pilger gezeigt.
DOMRADIO.DE: Wenn man in der Eifel bei Langenfeld diesen Jodokusweg gehen will, ist das nicht so schwer, weil der gekennzeichnet ist, oder?
Steger: Genau, der ist sehr gut in beide Richtungen gekennzeichnet. Es ist egal, in welche Richtung man läuft, weil es ein Rundwanderweg ist.
Es gibt schöne Stellen zum Innehalten bei kleinen Stelen oder irgendeiner Grotte. Eine Mariengrotte ist auf dem Weg oder eben eine Kapelle, eine Kirche. Das ist schon als Pilgerweg angelegt.
Man kann wunderbar ausprobieren, wie das mit dem Pilgern ist. Ist es beispielsweise ein großer Unterschied zum Wandern? Wie gesagt, mit der An- und Abreise ist es einfach. Das ist eine schöne Tagesetappe zum Ausprobieren.
DOMRADIO.DE: Was ist denn der Unterschied zwischen Wandern und Pilgern?
Steger: Pilgern ist Nehmen, was kommt. Das ist für mich so ein Ausspruch. Das hat mal eine Freundin von mir gesagt. Ich bin vor kurzem auf dem Elisabethpfad gepilgert, als ich dort das Fastenpilgern ausprobiert habe.
Es war zum Teil nicht schön, muss ich wirklich sagen. Ich war auf asphaltierten Fahrradwegen unterwegs. Es war vom Wetter her nicht schön. Es war zum Teil auch so, dass man nirgendwo einkehren konnte, als ich das Fasten schon abgeschrieben hatte.
Ein Premiumwanderweg zum Beispiel wird nur ein Premiumwanderweg, wenn er auch über dementsprechende Einkehrmöglichkeiten verfügt. Der soll nur einen bestimmten Anteil an Asphalt haben, ansonsten auf naturbelassenen Wegen sein. Das ist schon mal ein großer Unterschied, wie die Absicht, warum man unterwegs ist.
Beim Pilgern will man etwas über sich erfahren, sich finden oder auch mit Gott in Verbindung treten und mit allem, was uns umgibt. Beim Wandern ist man als Freizeitbeschäftigung unterwegs, wobei ich das nicht so eng fasse. Also ich finde, wenn man Wandern geht und hat eine dementsprechende Absicht dahinter, kann das auch als Pilgern gelten.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.