Ministerpräsidentin und Katholikin Malu Dreyer tritt zurück

"Der Kirche zugewandt, aber nicht unkritisch"

Für viele kam die Nachricht überraschend. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer tritt zurück. Dieter Skala, Leiter des Katholischen Büros Mainz, berichtet, wie die Zusammenarbeit zwischen ihr und der Kirche war.

Malu Dreyer, SPD, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, sitzt auf ihrem Platz im Landtag / © Andreas Arnold (dpa)
Malu Dreyer, SPD, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, sitzt auf ihrem Platz im Landtag / © Andreas Arnold ( dpa )

DOMRADIO.DE: Malu Dreyer hat bei der Pressekonferenz gesagt, sie müsse sich eingestehen, dass ihre Kraft nicht mehr ausreicht, um dem Anspruch der Bürgerinnen und Bürgern gerecht zu werden. Sie geht offen mit ihrer Erkrankung an Multiple Sklerose um. Wie beurteilen Sie diesen Schritt? Können Sie das nachvollziehen?

Festredner Jürgen Kaube, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, und Dieter Skala, Leiter des Katholischen Büros Mainz / © Beatrice Tomasetti (DR)
Festredner Jürgen Kaube, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, und Dieter Skala, Leiter des Katholischen Büros Mainz / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Dieter Skala (Leiter des katholischen Büros Mainz): Zunächst muss man sagen, dass Malu Dreyer ihr Amt über zehn Jahre mit einer ungeheuren Energieleistung ausgeübt hat. 

Ihre Krankheit ist schon länger bekannt. Sie selbst hat sie öffentlich gemacht, noch in ihrer Zeit als Sozialministerin. Ministerpräsidentin zu sein heißt Termine von früh bis spät, auch an den Wochenenden wahrzunehmen. Malu Dreyer kam immer top vorbereitet zu den Veranstaltungen. 

Dieter Skala

"Ihre Herzlichkeit hat viele Menschen angesteckt und ihr viele Sympathien zugetragen."

Sie ist offen auf die Menschen zugegangen. Ihre Herzlichkeit hat viele Menschen angesteckt und ihr viele Sympathien zugetragen. All das kostet wahnsinnig Kraft. 

Papst Franziskus und Malu Dreyer / © Osservatore Romano (KNA)
Papst Franziskus und Malu Dreyer / © Osservatore Romano ( KNA )

Mich hat ein bisschen erstaunt, dass sie viel weniger ihre gesundheitlichen Gründe benannt hat. Sie hat bei öffentlichen Auftritten immer helfen lassen. Sie hat ihre Krankheit nie versteckt. Der Zeitpunkt kam in gewisser Weise überraschend. Nicht die Tatsache an sich. 

Hierüber gab es bereits seit längerer Zeit Spekulationen. Ich selbst hätte es für den Herbst erwartet. Sie hat keine politischen Gründe angeführt. Sie hat das Nachlassen der Kraft ihrer Energie angeführt. 

Als politischen Zeitpunkt würde ich sagen, ist es klar und klug. Die Wahlen sind vorbei. Es kommt eine Sommerpause, in der sich dann eine Regierung neu zusammenhobeln kann. Dann kann man nach den Sommerferien direkt starten.

Dieter Skala

"Sie war der Kirche immer zugewandt, aber nicht unkritisch." 

DOMRADIO.DE: Sie haben gesagt, Malu Dreyer ist eine offene Landesmutter. Sie geht auf die Menschen zu. Sie steht zu ihrem Glauben und gilt als bekennende Katholikin. Hat das in der Zusammenarbeit mit Ihnen eine Rolle gespielt?

Skala: Die Zusammenarbeit mit Malu Dreyer im katholischen Büro war immer gut. Ich durfte sie vielfach aus der Nähe erleben, war unter anderem zweimal mit ihr auf Delegationsreisen. Einmal waren wir bei Papst Franziskus in Rom und einmal im rheinland-pfälzischen Partnerland Ruanda mit vielen Begegnungen mit der dortigen Kirche. 

Sie war aus meiner Sicht in ihrer Funktion aber auch persönlich der Kirche immer zugewandt, aber nicht unkritisch. Beim Thema Missbrauch hat sie zum Beispiel auf die Aufarbeitung durchaus gedrängt. Beim Thema Frauen in der Kirche hat sie mehr eingefordert als das, was wir gemeinhin erleben. 

Malu Dreyer kam zu Gottesdiensten, wenn sie angeboten waren. Sie kam in die Kathedralen, aber auch in die kleineren Kirchen. Sie war bei den offiziellen kirchlichen Anlässen, bei unseren Parlamentsandachten, die ich zusammen mit meinem evangelischen Kollegen mache, fast immer anwesend. 

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer gratuliert Georg Bätzing zu dessen Bischofsweihe  / © Andreas Kühlken (KNA)
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer gratuliert Georg Bätzing zu dessen Bischofsweihe / © Andreas Kühlken ( KNA )

Im Inhaltlichen gab regelmäßige Austausche mit den rheinland-pfälzischen Bischöfen, sowohl in der Gesamtheit als auch individuell. Bei unserem Jahresempfang der Bischöfe, dem Sankt Martins Empfang, den wir als katholisches Büro für die Bischöfe ausrichten, war sie fast immer anwesend.

Dort hat sie jeweils ein Grußwort gesprochen. Dabei hat sie das gute Verhältnis zwischen Land und Kirche betont. Sie hat immer wieder zum Thema gemacht, wie sehr und positiv Kirche diese Gesellschaft mitgestaltet. 

Über die Kirche hinaus könnte man sagen, dass sie sehr offen gegenüber anderen Religionen war. Die Integration der Musliminnen und Muslime waren ihr ein besonderes Anliegen sowie die Stärkung der jüdischen Gemeinschaften im Land.

Dieter Skala

"Ich glaube, dass sie ihr Leben versucht danach auszurichten, Menschen zu stärken und ihnen Mut zuzusprechen."

DOMRADIO.DE: Sie hat mal in einem Interview mit dem evangelischen Magazin Chrismon gesagt, dass ihr Glaube auf einem stärkenden und nicht auf einem strafenden Gott basiere. Haben Sie diese Haltung von ihr mal erlebt?

Skala: Sie würde das immer wieder betonen, wenn um ihre eigene Glaubenshaltung geht. Ich glaube, dass sie ihr Leben versucht danach auszurichten, Menschen zu stärken und ihnen Mut zuzusprechen. Das wiederum habe ich vielfach erlebt.

Dieter Skala

"Ich erwarte keinen Bruch im Miteinander."

DOMRADIO.DE: Neuer Ministerpräsident wird der Sozial- und Transformationsminister Alexander Schweitzer. Vor elf Jahren hat Malu Dreyer schon einmal einen Posten an ihn abgetreten, den Posten des Sozialministers. Haben Sie mit ihm schon Erfahrungen gemacht? Inwiefern wird sich das Verhältnis zum politischen Katholizismus in Rheinland Pfalz ändern?

Skala: Zunächst einmal ist Rheinland-Pfalz ein kleines Bundesland. Deswegen begegnet man sich immer wieder. Man begegnet sich vielfach. So gibt es seit vielen Jahren mit ihm eine gute Zusammenarbeit.

Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, und ihr designierter Nachfolger Alexander Schweitzer / © Arne Dedert (dpa)
Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, und ihr designierter Nachfolger Alexander Schweitzer / © Arne Dedert ( dpa )

Er war bereits unter Kurt Beck Staatssekretär, dann wurde er unter Malu Dreyer Staatsminister für Soziales, dann war ihr Fraktionsvorsitzender der SPD. Seit 2021 ist er wieder zurückgekehrt. 

Als Sozialminister hat er einen guten Einblick in kirchliches Engagement, besonders im Sozialbereich bekommen. Er weiß um die Leistungen aus Caritas und evangelischer Diakonie. Er schätzt sie und kennt viele Einrichtungen sowie handelnde Personen, auch aus dem kirchlichen Feld.

Das wurde kürzlich beim Wechsel in der Leitung des Diözesanvorsitzenden im Caritasverband Trier deutlich. Dort hat er unter Beweis gestellt, wie sehr er die Leistungen schätzt. Insofern würde ich sagen, ich erwarte keinen Bruch im Miteinander. Wir dürfen uns, glaube ich, auch auf die Zusammenarbeit mit einem zukünftigen Ministerpräsidenten Alexander Schweitzer freuen.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Quelle:
DR