Ein paar Pfunde verlieren, sich mehr Zeit nehmen, das Leben entrümpeln: Die zwischen Weihnachten und Silvester für das neue Jahr gefassten Vorsätze sind längst an der Wirklichkeit zerschellt. Ab Mittwoch bietet sich eine neue Chance: Mit dem Aschermittwoch beginnen die christlichen Kirchen die 40-tägige Fasten- oder Passionszeit, die auf Ostern vorbereiten soll.
Buße und Umkehr: Schon farblich schlägt sich das in den katholischen Gottesdiensten nieder. Die vorherrschende liturgische Farbe ist das Lila - und das steht bei Farbpsychologen wegen seiner Mischung aus dem kostbaren Purpurrot und einem eher kalten, schweren Blau für das Geistige, für den starken Kontrast zu allem Körperlichen.
Buße und Umkehr: Das klingt für viele nach Selbstkasteiung und Opfern. Die katholische Kirche müsse sich fragen, ob sie das Thema nicht viel zu negativ verkauft habe, meint etwa der evangelische Pfarrer und Erfolgsautor Tiki Küstenmacher. "Ich glaube, Gott findet auch keinen Gefallen daran, wenn wir uns Schaden zufügen oder wenn wir ihm etwas aufopfern." Fasten heiße, Platz zu schaffen für Wesentliches, über sich hinaus zu denken und dadurch seine Beziehung zur Umwelt oder auch zu Gott zu verändern.
Ähnlich sieht das auch der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch. Die 40-tägige Fastenzeit sei eine "Zeit der Entschleunigung», schreibt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz im "Offenburger Tageblatt" (Mittwoch). Beim Fasten im religiösen Sinn gehe es nicht nur um Kalorien. Es gehe um Zeit «für das, was im Leben und Zusammenleben wirklich zählt». Richtiges Fasten sei «ein Frühjahrsputz für die Seele».
Der Hamburger katholische Erzbischof Werner Thissen knüpft bei seinem Aufruf zur Fastenzeit in diesem Jahr an die Berichte über drastische Lebensmittelverschwendung in Deutschland an - bei gleichzeitig wachsenden Ernährungsproblemen in vielen Teilen der Welt. Thissen, der in der Bischofskonferenz auch für das Entwicklungshilfswerk Misereor zuständig ist, rief am Dienstag dazu auf, weniger Fleisch zu essen. "Unser Konsumverhalten geht oft auf Kosten anderer Menschen und unserer Umwelt", sagte er. Die Massenproduktion etwa von Schweinefleisch schade der Umwelt. Ebenso vernichteten die dafür nötigen Sojaimporte die Lebensgrundlagen vieler Menschen auf den Südkontinenten. "Wenn wir zweimal die Woche auf Fleisch verzichten und uns mit regionalen Produkten versorgen, unterstützen wir eine bäuerliche, nachhaltige Landwirtschaft. Und wir tragen dazu bei, dass die Hungernden in der Welt mehr Überlebenschancen haben."
Wachsende Vielfalt an Initiativen christlicher Verbände und Organisationen
Dass die Fastenzeit in Deutschland wieder zu einem wichtigen Thema geworden ist, zeigt auch die wachsende Vielfalt an Initiativen christlicher Verbände und Organisationen. Erneut ruft Misereor in seiner Fastenaktion zu Spenden für Entwicklungsländer und zu einem Überdenken des eigenen Lebensstils auf. Die evangelische Kirche startet am Aschermittwoch ihre jährliche Fastenaktion «Sieben Wochen Ohne». In verschiedenen Regionen im Südwesten Deutschlands und Luxemburgs rufen die Kirchen zum Autoverzicht auf.
Auch der in Hamburg ansässige ökumenische Verein «Andere Zeiten» lädt zum elften Mal zu seiner Aktion «7 Wochen anders leben» ein. Dabei erhalten Teilnehmer von Aschermittwoch bis Ostern wöchentlich einen Fastenbrief, der zum Durchhalten ermuntern soll. «Fasten ist zwar in erster Linie Verzicht», sagte der Geschäftsführer des Vereins, Thomas Kärst. «Doch die Fastenzeit ist auch eine Chance, Zeit für andere Dinge zu gewinnen, über das Leben nachzudenken, zu meditieren oder zu beten.»
Tradition hat auch schon die Fastenbegleitung per SMS, die die Katholische Fernseharbeit, domradio.de und katholisch.de anbieten. Täglich können sich Teilnehmer einen Bibelvers auf Ihr Mobiltelefon schicken und sich nach dem Wunsch der Veranstalter zu einer überraschenden Unterbrechung des Alltags einladen lassen.