Misereor-Fastenaktion in München eröffnet

"Wir leben alle in einer Welt"

Dreimal eröffnete Misereor seine Fastenaktion in München. Am Sonntag war das seit 60 Jahren bestehende Hilfswerk erneut zu Gast, um unter dem Motto "Heute schon die Welt verändert?" für Solidarität mit den Menschen weltweit zu werben.

Indien: Die sechjährige Shanta arbeitet in einer Recyclinganlage / © Md. Mehedi Hasan (dpa)
Indien: Die sechjährige Shanta arbeitet in einer Recyclinganlage / © Md. Mehedi Hasan ( dpa )

Schneebedeckte Bäume und Wege - so erlebten die indischen Gäste am Sonntag die bayerische Landeshauptstadt. Schon seit Samstagnachmittag hatte Frau Holle immer wieder neu kräftig ihre Kissen ausgeschüttelt. Ein Grad Celsius zeigte das Thermometer. Im Liebfrauendom mag es etwas wärmer gewesen sein. Doch als die vier indischen Frauen in ihren bunten Gewändern und mit blumengeschmückten Haaren barfuß auf dem Steinboden vor dem Altar zur Ehre Gottes tanzten, mag mancher Mitleid empfunden haben. Die grazilen Tänzerinnen aber ließen sich nichts anmerken, sondern hielten zu Sitar- und Trommelklängen tapfer durch.

Aufruf zum solidarischen Handeln

Unter dem Motto "Heute schon die Welt verändert?" eröffnete Misereor in München seine diesjährige Fastenaktion mit Indien als Beispielland. Der Gottesdienst wurde live in der ARD übertragen. Es war das vierte Mal, dass das bischöfliche Hilfswerk hier zu Gast war. 1979, als die Losung "Anders leben - Teilen lernen" lautete, hatte der damalige Kardinal Joseph Ratzinger und spätere Papst Benedikt XVI. gemahnt, ein Hauptproblem Europas bestehe darin, seine agrarischen Überschüsse einzudämmen, während die Welt hungere. Das könne sich erst ändern, wenn die Menschen hierzulande bereit wären, wirklich anders zu leben.

39 Jahre später forderte sein Nachfolger im Amt des Erzbischofs von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, gleichfalls zum solidarischen Handeln auf. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz erinnerte daran, dass Gott nach der Sintflut den Menschen als Zeichen der Hoffnung einen Regenbogen geschickt habe. Damit habe er eine zweite Chance ermöglicht und die Aufforderung verbunden, Einheit und Vielfalt der Schöpfung mit allen Kulturen und Traditionen zusammenzubringen. Papst Franziskus habe in der Enzyklika "Laudato si" deutlich gemacht, das eine Haus der Schöpfung gehöre allen. Die Zeit sei reif, so Marx, für das Evangelium vom Volk Gottes.

Sauberes Wasser oft noch Ausnahme

Beim Verlesen der Fürbitten tauchte ein den Zuschauern und Gottesdienstbesuchern vertrautes TV-Gesicht auf: Die Moderatorin Carolin Reiber. Seit über 20 Jahren unterstützte sie die Arbeit von Misereor und konnte sich bei Reisen nach Afrika, Asien und Lateinamerika überzeugen, wie wichtig Hilfe zur Selbsthilfe ist. Darauf nahm auch der Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel Bezug und verwies auf die in manchen indischen Orten nach wie vor schwierige Lage mit der Versorgung mit Trinkwasser. Erst als eine Dorfgemeinschaft sich zusammengetan und dafür gekämpft habe, sei es anders geworden.

Des Themas "Basta! Wasser ist Menschenrecht!" hat sich auch der Bund der Deutschen Katholischen Jugend angenommen. Die jungen Leute wollen darauf aufmerksam machen, dass die Vereinten Nationen dies längt anerkannt hätten, vielen Menschen aber immer noch der Zugang zu sauberem Wasser fehle. Auch hierzulande wollten sie die Leute sensibilisieren, ihren Umgang mit Wasser zu überdenken. Denn obwohl das Leitungswasser in der Regel Trinkwasserqualität habe, kauften auch viele Pfarreien, Jugendgruppen und Schulen teures Mineralwasser oft von Getränkekonzernen und kommerzialisierten so das Menschenrecht auf Wasser.

 

Seit den 60 Jahren seines Bestehens hat Misereor über 107.500 Entwicklungsprojekte in Afrika und dem Nahen Osten, Asien, Lateinamerika und Ozeanien mit mehr als 7 Milliarden Euro gefördert. Derzeit unterstützt das Hilfswerk rund 3.000 Projekte in 90 Ländern. Dieses Engagement weiß Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) zu schätzen. Er lobte die "großartige Arbeit" der katholischen und evangelischen Hilfswerke. Sein Ministerium arbeite seit vielen Jahrzehnten eng und vertrauensvoll mit Misereor zusammen.

"Wir leben alle in einer Welt", so der Minister. Jeder Mensch habe das Recht auf ein Leben in Würde. Deshalb gelte es, die Schöpfung für die kommenden Generationen durch einen verantwortlichen Lebensstil zu bewahren. Spiegel betonte, die globalen Herausforderungen könnten nicht von einem allein gelöst werden können, sondern nur gemeinsam. Bleibt die Frage, ob das die unweit des Doms bei der Sicherheitskonferenz tagenden Politiker auch erkannt haben?

Barbara Just

 

Quelle:
KNA