Misereor über unsichere Ruhe in Kirgistan und die Not der Flüchtlinge

"Da kommt noch was"

Eine Woche nach Beginn der Unruhen in Kirgistan sei die Welle der Gewalt abgeebbt, sagt Johannes Gehrs, für Misereor im Land. Gegenüber domradio.de beschreibt der Entwicklungshelfer die menschliche Not, von der nun 400.000 Flüchtlinge betroffen sind - und die Angst vor erneuter Gewalt.

 (DR)

domradio.de: Sie sind in der Hauptstadt zwar weit weg vom Süden des Landes, dennoch stehen sie mit ihren Kollegen dort in Verbindung. Wie ist die Lage vor Ort gut eine Woche nach der Eskalation?
Gehrs: Die Lage ist jetzt grundsätzlich ruhiger, die akute Gewaltsituation scheint weitgehend vorüber zu sein. Aber nach dieser Gewaltwelle folgt jetzt eine Welle der humanitären Not. Es mangelt vor allem bei den Flüchtlingen an Lebensmitteln, Wasser und anderen Versorgungsmaterialien.

domradio.de: Wer genau sind die Flüchtlinge in der Grenzprovinz Andijan?
Gehrs: Die meisten, die flüchten, sind kirgisische Staatsbürger der usbekischen Volkszugehörigkeit. Die Leute sprechen in der Regel Usbekisch, haben aber einen kirgisischen Pass.

domradio.de: Usbekische Behörden haben mit dem Bau von Lagern begonnen, und lokale Krankenhäuser behandeln Verletzte, die über die Grenze gekommen sind. Was wissen sie von dort - aus dem Lager?
Gehrs: Wir wissen nur, dass es internationale Bemühungen gibt, auch dort Hilfsmittel in die Lager zu bringen. Aber tatsächlich ist diese Grenze auch für den Fluss von Informationen ein Hindernis.

domradio.de: Was brauchen die Menschen?
Gehrs: Wir haben große Hitze, 35 bis 40 Grad im Schatten im Süden des Landes. Bei so einer Hitze sind alle Verletzungen insofern gefährlich, dass schnell Infektionen kommen. Man braucht medizinische Versorgung, Trinkwasser Lebensmittel und alles, was für das Überleben unter diesen Bedingungen notwendig ist.

domradio.de: Die Lage hat sich inzwischen angeblich beruhigt. Die Übergangsregierung Otunbajewa, so heißt es, ist überfordert. Wie geht es politisch weiter im Land?
Gehrs: Das ist ungewiss. Wir warten alle auf Referendum Ende Juni, dass die Übergangregierung auf jeden Fall durchziehen möchte, um damit den Weg für eine Verfassung frei zu machen. Aber die Situation im Land ist angespannt ruhig. Viele sagen:  Da kommt sicherlich noch was, das war noch lange nicht alles.

Das Gespräch führte Christian Schlegel.