domradio.de: Was wird denn gerade in Liberia gegen Ebola getan?
Klatte: Vieles von dem, was getan wird, können wir ja auch über die Medien verfolgen. Viele Organisationen sind dabei, Patienten, bei denen Ebola schon ausgebrochen ist, zu behandeln und dort entsprechend Unterstützung zu leisten. Misereor selbst arbeitet in Liberia mit mehreren Partnerorganisationen im Gesundheitsbereich zusammen. Eine besonders wichtige Rolle nimmt dabei eine medizinische Hochschule ein, die bereits seit dem Bürgerkrieg in Liberia medizinische Fachkräfte ausbildet und die im Moment ihre Aktivitäten auf Aufklärungsmaßnahmen im Bereich Ebola konzentriert. Es geht zunächst mal darum, das Gesundheitspersonal selbst auszubilden. Gerade in den kleineren Gesundheitsstationen, die zur Sicherung von Basisgesundheitsdiensten dienen, sind die Mitarbeitenden nicht auf eine Epidemie wie Ebola vorbereitet und unter Umständen so verängstigt, dass sie nicht mehr handlungsfähig sind. Deswegen ist der erste Fokus unserer Partnerorganisationen, diese Leute so auszubilden, dass sie rechtzeitig Ebola erkennen und auch handeln können, so wie es angemessen ist. Des Weiteren: Ebola betrifft ja nicht nur Menschen im Gesundheitssektor, sondern läuft Gefahr, das ganze Land lahm zu legen. Deshalb ist es wichtig, dass Organisationen, die nicht unbedingt nur im Gesundheitsbereich tätig sind, mithelfen, die Aufklärung der Bevölkerung auch voranzutreiben. So kommt es, dass auch Partner von uns im Bereich ländlicher Entwicklung oder im Bereich Menschenrechtsarbeit inzwischen Elemente von Ebola-Aufklärung in ihre normale Arbeit mitaufnehmen, um einen Beitrag zu leisten, die Verängstigung zu reduzieren und den Menschen dabei zu helfen, angemessen zu reagieren, wenn sie Ebola-Anzeichen sehen.
domradio.de: Welche Folgen dieser Krankheit werden denn jetzt befürchtet?
Klatte: Zum einen muss man mal direkt vom Gesundheitssystem sprechen. Liberia ist ein Land, das nach dem Bürgerkrieg langsam die Gesundheitsstrukturen wieder aufgebaut hat. Hier ist, wie man sieht, deutliche Stärkung noch erforderlich. Nur wenn dieses Gesundheitssystem insgesamt gestärkt ist und dann auch das lokale Personal vor Ort handlungsfähig ist, kann man vermeiden, dass es da zu einem Kollaps kommt. Es geht jetzt auch darum, dass funktionierende Gesundheitseinrichtungen offen bleiben, dass sie auch die ganz normalen Krankheiten weiter behandeln, wie Malaria, wie Mutter-Kind-Gesundheit usw., damit es einfach weiter funktionieren kann. Abgesehen vom Gesundheitssystem ist natürlich auch die Gefahr gegeben, dass sich Engpässe in der Versorgungslage ergeben. Das gilt zum einen für die direkten Epizentren, wo Ebola schon stark ausgebrochen ist, wo es Ausgangssperren gibt, da wird Mobilität eingeschränkt und entsprechend auch die Versorgung in Gefahr gebracht. Das Gleiche gilt aber auch für ländliche Regionen, die vielleicht nicht direkt oder zumindest noch nicht stark betroffen sind. Auch da nimmt ja Mobilität ab, dadurch, dass man Angst hat, in bestimmte andere Regionen zu fahren. Das ist sehr schwierig. Nicht zuletzt möchte ich noch erwähnen, dass Ebola auch im Bereich des sozialen Zusammenhalts Folgen haben kann, die das Miteinander der Menschen nachhaltig erschweren. Deshalb ist bei allen Hilfsmaßnahmen, die wir machen, auch dieser kultur- und konfliktsensible Ansatz sehr wichtig. Man muss mit den Menschen auch in deren Kultur Maßnahmen entwickeln, die greifen und die eben auch das soziale Miteinander nicht zerstören.
domradio.de: Inwiefern erleichtert denn nun der humanitäre Luftkorridor die Arbeit der Hilfswerke dort?
Klatte: Der Luftkorridor erleichtert sicherlich die dringend notwendige Lieferung von Materialien und die noch wichtigere Bereitstellung von Personal auf einem kurzen Wege, so dass da auch entsprechend Hilfe geleistet wird. Ein Dilemma ist ja, dass nicht genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen. Durch den Luftkorridor wird jetzt einfach der Zugang von Helferinnen und Helfern erleichtert. Das ist sehr, sehr wichtig.
Das Gespräch führte Christian Schlegel.