Der vom Bistum Rom beauftragte Kirchenrechtler Giacomo Incitti hatte in seinem Abschlussbericht Zweifel daran geäußert, dass die zwischenzeitliche Exkommunikation Rupniks wegen sexuellen Kontakts mit erwachsenen Frauen rechtens war. Der Report zeige, dass sich die Kirche nicht für die Opfer interessiere, heißt es nun in einem offenen Brief auf der italienischen Betroffenen-Plattform "Italy Church Too". Die Losung einer "Nulltoleranz für sexuellen Missbrauch in der Kirche" sei nur eine öffentliche Kampagne gewesen.
Zeitweise exkommuniziert
"Die Opfer werden dem stummen Schrei eines neuerlichen Missbrauchs überlassen", heißt es in dem Brief. Zu den Unterzeichnerinnen zählen unter anderen die Innsbrucker Theologin Mira Stare sowie Fabrizia Raguso, ehemaliges Mitglied der slowenischen Loyola-Gemeinschaft, die Rupnik mitgegründet hatte.
Marko Rupnik (68) ist Mosaikkünstler, katholischer Priester und früherer Jesuitenpater. In Rom begründete und leitete der Slowene viele Jahre das "Centro Aletti", das auch ein geistliches Zentrum ist. Weil er im Zusammenhang mit der Beichte sexuellen Kontakt mit erwachsenen Frauen gehabt haben soll, war Rupnik 2020 zeitweise exkommuniziert, also aus der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen.
Zweifel an Vorwürfen
Mittlerweile werfen ihm mehrere Frauen vor, er habe sie sich in seiner Rolle als Geistlicher sexuell gefügig gemacht. Der Jesuitenorden verhing Auflagen gegen sein Mitglied, an die sich Rupnik aber nicht hielt. Im Juni schloss der Orden den Künstler schließlich aus seinen Reihen aus.
Neben den Jesuiten befasste sich auch das Bistum Rom mit dem Fall. Die Diözese entsandte einen Prüfer, den Kirchenrechtler Incitti, in das Aletti-Zentrum. In seinem Abschlussbericht stellt Incitti "schwerwiegende Abweichungen" fest, die "begründete Zweifel" an dem Antrag auf Exkommunikation hervorriefen.
Schlag ins Gesicht
Am Freitag hatte Papst Franziskus die neue Direktorin des "Centro Aletti", Maria Campatelli, empfangen. Sie hatte zuvor von einer angeblichen Medienkampagne gegen Rupnik gesprochen. Die Missbrauchsbetroffenen kritisierten auch dieses Treffen in ihrem Brief. Die Begegnung sei ein Schlag ins Gesicht, zumal Franziskus ihnen ein Treffen bislang verweigert habe.