KNA: Herr Cruz, wie haben Sie die Papstreise im Januar nach Chile aus ihrer Perspektive erlebt?
Cruz: Es war aus meiner Sicht eine schmerzhafte Reise, denn sie hat all die Wunden und Erinnerungen wieder aufgerissen. Auf der anderen Seite war es gut, dass die Welt gesehen hat, wie die Spitze der chilenischen Kirche versucht hat, das Thema klein zu halten und dass jetzt endlich etwas passiert.
KNA: Am Samstag werden Sie vom päpstlichen Sonderermittler, Erzbischof Scicluna, zu den Missbrauchsfällen in Chile befragt. Welche Hoffnungen verbinden Sie mit dem Besuch?
Cruz: Ich setze große Hoffnungen in Erzbischof Scicluna, denn er ist ein aufrichtiger Mann, der seinen Weg geradeaus geht.
KNA: Welche Forderungen verbinden Sie mit den anstehenden Untersuchungen?
Cruz: Es ist enorm wichtig, dass das Verhalten der Bischöfe Juan Barros, Tomislav Koljatic und Horacio Valenzuela, Männer die allesamt sexuellen Missbrauch vertuscht haben, genauestens untersucht wird.
KNA: Warum haben Sie kein Vertrauen in die chilenische Kirche?
Cruz: Man hat uns immer ermuntert, auszuzusagen, und das haben wir stets in gutem Glauben getan, aber bislang haben die Kardinäle und Bischöfe das mit weniger guten Absichten quittiert. Ich bin der Überzeugung, dass Kardinal Errazuriz, der frühere Erzbischof der Hauptstadt, einen enorm schlechten Einfluss auf den Papst hat, weil Errazuriz vertuscht und versucht hat, die Opfer zu diskreditieren. Sein Nachfolger Kardinal Ezzati hat jüngst noch die Objektivität der Opfer in Zweifel gezogen. Er ist ein absolut unsensibler Mann.
KNA: Wenn Sie die Möglichkeit hätten, direkt mit dem Papst zu sprechen, was würden Sie ihm sagen?
Cruz: Ich würde ihm sagen, dass die versprochene Null-Toleranz-Politik gegenüber Missbrauchstätern in Frage steht, wenn man in der Kirchenspitze das bisherige Vorgehen mit diesem Label schmückt. Und ich würde ihm sagen, dass es da draußen noch Tausende Missbrauchsopfer gibt, die man anhören muss und die die gleiche Aufmerksamkeit verdienen, wie ich sie gerade bekomme.
Tobias Käufer