Missbrauchsskandal: Papst schreibt Brief an Christen

"Mit Scham und Reue"

In einem Brief an alle Gläubigen bittet Papst Franziskus um Vergebung für das Versagen der Kirche im Umgang mit Missbrauch an Kindern und anderen Schutzbedürftigen. Der Vatikan veröffentlichte das Schreiben am Montagmittag.

Opfer von Sexuellem Missbrauch durch Geistliche in Pennsylvania / © Matt Rourke (dpa)
Opfer von Sexuellem Missbrauch durch Geistliche in Pennsylvania / © Matt Rourke ( dpa )

Papst Franziskus hat die schwere Schuld der Kirche in der Frage des Missbrauchs durch Kleriker eingeräumt. Die Probleme zur Kenntnis zu nehmen genüge bei weitem nicht, um Missbrauch ein für allemal auszumerzen, brauche es die aktive Teilnahme aller, besonders der Laien: "Zum Missbrauch 'Nein' zu sagen, heißt zu jeder Form von Klerikalismus mit Nachdruck 'Nein' zu sagen“, schreibt der Papst in einem langen Brief "an das Volk Gottes“, den der Vatikan am Montag veröffentlichte.

In dem knapp vierseitigen Schreiben kritisiert der Papst Klerikalismus und fordert alle Katholiken auf, sich gegen eine solche Kultur zu engagieren.

"Anstrengung verstärken, den Schutz von Minderjährigen zu gewährleisten"

"Mit Scham und Reue geben wir als Gemeinschaft der Kirche zu, dass wir nicht dort gestanden haben, wo wir eigentlich hätten stehen sollen und dass wir nicht rechtzeitig gehandelt haben, als wir den Umfang und die Schwere des Schadens erkannten", schreibt Franziskus unter anderem.

Der Papst reagiert damit unmittelbar auf den jüngsten Bericht einer Grand Jury im US-Bundesstaat Pennsylvania, der am vergangenen Dienstag veröffentlicht wurde, auf die Entwicklung in Chile sowie anhaltende Diskussionen vor seinem Besuch in Irland am kommenden Wochenende.

Der Schrei der Opfer sei stärker gewesen "als die Maßnahmen all derer, die versucht haben, ihn totzuschweigen" oder die meinten, das Leid mit Entscheidungen zu kurieren, die alles nur schlimmer gemacht hätten. Dazu zitiert Franziskus den Satz aus dem Lobgesang Marias im Lukasevangelium: Gott "zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen."

Dringend müsse die Kirche noch einmal ihre "Anstrengung verstärken, den Schutz von Minderjährigen und von Erwachsenen in Situationen der Anfälligkeit zu gewährleisten". Dabei würdigt der Papst die bisher in verschiedenen Teilen der Welt unternommenen "notwendigen Aktionen und Sanktionen" und eine "Null-Toleranz-Haltung". Zwar zeigten diese inzwischen Wirkung, seien allerdings "mit Verspätung angewandt" worden.

Klerikalismus sei Ursache für sexuellen und psychischen Missbrauch

Als eine der Hauptursachen für den sexuellen sowie psychischen Missbrauch benennt der Papst "Klerikalismus, sei er nun von den Priestern selbst oder von den Laien gefördert". Dieser erzeuge eine Spaltung, "die dazu anstiftet und beiträgt, viele der Übel, die wir heute beklagen, weiterlaufen zu lassen".

Klerikalismus beruhe auf einem falschen Verständnis von Autorität in der Kirche – "sehr verbreitet in zahlreichen Gemeinschaften, in denen sich Verhaltensweisen des sexuellen Missbrauchs wie des Macht – und Gewissensmissbrauchs ereignet haben". Franziskus zitiert dabei aus einer Karfreitagsbitte von Kardinal Joseph Ratzinger von 2005: "Wie viel Schmutz gibt es in der Kirche und gerade auch unter denen, die im Priestertum ihm (Christus) ganz zugehören sollten? Wie viel Hochmut und Selbstherrlichkeit?"

Gleichwohl müsse das gesamte Volk Gottes sich daran beteiligen, auf die Übel des Missbrauchs und der Vertuschung zu antworten. "Alles, was man unternimmt, um die Kultur des Missbrauchs aus unseren Gemeinschaften auszumerzen, ohne alle Glieder der Kirche aktiv daran teilhaben zu lassen", werde nicht die nötige Dynamik "für eine gesunde und wirksame Umgestaltung" erzeugen, so der Papst.

Mehr als 1000 Opfer und 300 missbrauchende Priester in Pennsylvania

Anlass des Papst-Schreibens ist ein jüngst erschienener US-amerikanischer Bericht, der allein im Bundesstaat Pennsylvania für die letzten 70 Jahre mindestens 1.000 Opfer und mehr als 300 missbrauchende Priester erhoben hat. Wegen der Zahlen und der drastischen Details hat der Report weltweit Entsetzen ausgelöst.

Am kommenden Wochenende reist Papst Franziskus zum Weltfamilientreffen nach Irland, wo die katholische Kirche ebenfalls eine massive Glaubwürdigkeitskrise aufgrund zahlreicher Missbrauchsfälle durchmacht. Beobachter erwarten, dass der Papst in einer privaten Begegnung in Dublin mit Opfern spricht.


Papst Franziskus  / © Andrew Medichini (dpa)
Papst Franziskus / © Andrew Medichini ( dpa )
Quelle:
KNA
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