DOMRADIO.DE: Inwiefern leidet missio darunter, dass junge Afrikanerinnen und Afrikaner keine Visa für die Einreise nach Deutschland bekommen?
Pfarrer Dirk Bingener (Präsident von missio): Ich glaube, es geht nicht so sehr um missio. Es ist eine Ungerechtigkeit, dass junge Leute aus afrikanischen Ländern kein Visum bekommen, wenn wir sie einladen.
Warum bekommen sie es nicht? Weil man ihnen pauschal eine mangelnde Rückkehr-Bereitschaft unterstellt. Man sagt, wenn sie in Deutschland sind, würden sie nicht zurückkehren. Das macht man an Kriterien fest, die junge Menschen nicht erfüllen können, weil sie nicht in die Lebensphase von jungen Leuten passen.
DOMRADIO.DE: Inwiefern arbeitet missio mit den jungen Menschen?
Bingener: Wir haben den Weltmissionsmonat im Oktober vor Augen. Und wir haben natürlich Partner und Partnerprojekte überall in der Welt, wie in Nairobi in einem Armutsviertel. Hier arbeiten wir mit dieser jungen Initiative zusammen und haben acht junge Leute eingeladen.
Die deutsche Botschaft fragt immer, ob eine familiäre Verwurzelung vorhanden ist, ob man Ehepartner, Kinder oder finanzielle Ressourcen hat. Es wäre bei Deutschen ganz genauso, denn junge Leute haben in der Regel keine Kinder, keinen Ehepartner und keine Immobilie.
De facto führt es dazu, dass ältere Leute kommen können. Wir haben jetzt auch wieder Visa für die älteren Teilnehmer bekommen. Man diskriminiert strukturell junge Afrikanerinnen und Afrikaner, in dem Fall jetzt unsere kenianischen Freunde.
Wir wollen nicht länger hinnehmen, dass der Staat diese jungen Menschen diskriminiert und die kirchliche Jugendarbeit verhindert. Der Staat muss Jugendarbeit unterstützen und nicht verhindern.
DOMRADIO.DE: Worin liegt denn die Ungleichbehandlung begründet?
Bingener: Man sagt, dass man prüft, ob es eine Rückkehrbereitschaft gibt oder nicht. Das macht man an den genannten Kriterien fest. Im Grunde ist es natürlich eine Abschottung.
Die Leitung des Auswärtigen Amts hat jetzt Ministerin Annalena Baerbock. Die Grünen haben in der Vergangenheit immer scharf kritisiert, dass es solch eine Praxis gibt. Unsere Hoffnung wäre jetzt gewesen, dass sich etwas verändert. Aber es ändert sich eben nichts.
Wir haben für einige dieser jungen Leute noch keinen Bescheid. Eigentlich würden sie in einer Woche fliegen. Die Visa sind früh beantragt worden. Aber dadurch, dass wir keinen Bescheid bekommen, können wir auch keinen dagegen Einspruch erheben.
Ich kritisiere, dass es immer anders ist. Mal braucht es noch andere Dokumente, mal wird es aufgrund der Rückkehrprognose abgelehnt, mal werden die Dokumente dahingehend angezweifelt, ob die Reisepässe richtig sind oder es wird gar keine Entscheidung getroffen.
Damit ist uns sogar die Möglichkeit genommen, dagegen Einspruch, Widerspruch oder Klage einzureichen. Das ist eine Praxis, die so nicht mehr geht. Sie betrifft nicht nur uns, sondern viele zivilgesellschaftliche Organisationen.
DOMRADIO.DE: Was ist das besonders Unbefriedigende an der Situation?
Bingener: Es ist schlimm, dass junge Leute alles erbringen, was sie erbringen müssen, um nach Deutschland zu kommen, es aber trotzdem nicht genehmigt bekommen. In den letzten Jahren waren deutsche Jugendliche in Afrika. Aber umgekehrt spüren Afrikanerinnen und Afrikaner, dass hier eine Abschottung besteht. Hier ist eine Grenze.
Die haben sich auf den Austausch gefreut. Das ist eine unglaubliche Enttäuschung für die jungen Menschen. Das ist das, was mich bewegt. Der Papierkram bewegt mich nicht so sehr, sondern die Enttäuschung.
Und es ist nach zwei Jahren Corona, nach den unfriedvollen Situationen, die wir in der Welt erleben, wichtig, dass man sich begegnet. Junge Menschen in Afrika machen die Mehrheit der Bevölkerung aus. Aber wir können uns gar nicht begegnen, weil es solche Visa-Probleme gibt und so eine Abschottung. Das kann nicht im Sinne des Staates sein.
Das Interview führte Michelle Olion.