Der jüdische Karnevalsverein "Kölsche Kippa Köpp" tritt auch im Karneval gegen Antisemitismus ein.
DOMRADIO.DE: Warum haben Sie nicht gezögert, sich am Elften im Elften, dem Beginn des närrischen Treibens, am Tanzbrunnen in Köln zu zeigen?
Aaron Knappstein (Präsident des jüdischen Karnevalsvereins "Kölsche Kippa Köpp"): Die Entscheidung fiel kurz nach dem Attentat in Halle. Wir standen alle noch unter dem Eindruck von dem, was dort geschehen ist. Wir empfinden die Angst vor dem Antisemitismus natürlich schon seit längerer Zeit. Aber da war es nochmal ganz klar: Wir sind dabei. Wir zeigen uns auch an diesem Tag.
DOMRADIO.DE: Glauben Sie, ein Signal gegen Antisemitismus ist im Karneval richtig aufgehoben?
Knappstein: Auf jeden Fall. Der Karneval gehört zu dieser Stadt wie kaum etwas anderes und ist mitten in der Gesellschaft. Er wird von vielen Kölnern gefeiert und am Tanzbrunnen werden heute über 11.000 Menschen sein. Ich denke schon, dass man die Kölnerinnen und Kölner, denen es ja wichtig ist, auch gegen Antisemitismus aufzustehen, dort ansprechen und ihnen sagen kann, dass das leider auch Teil dieser Stadt ist.
DOMRADIO.DE: Nach tragischen, schlimmen Erlebnissen kennen wir die Schweigeminute, vor einem Fußballspiel beispielsweise. Dieses Mal wird es eine Applausminute geben. Warum?
Knappstein: Man muss eingestehen, dass eine Schweigeminute an diesem Platz zu dieser Zeit sehr, sehr schwierig sein wird. Wenn Sie zum Beispiel das Fußballstadion ansprechen, da weiß man, dass wenige Menschen, die sich nicht an eine Schweigeminute halten, das Ganze sehr, sehr stören können und dafür sorgen, dass andere Menschen nicht mehr schweigen.
Und daher haben wir uns entschieden, eine Applausminute im Tanzbrunnen zu machen. Und ich denke auch, an diesem Tag, zum Karneval, ist das auch das bessere, das schönere Zeichen.
DOMRADIO.DE: Kurz nach dem Anschlag von Halle waren Sie auch zu Gast bei DOMRADIO.DE. Da haben Sie klare Worte gefunden: Die Politik habe Alarmzeichen vor wachsendem Antisemitismus lange ignoriert. Hat sich denn jetzt in der Zwischenzeit etwas im Bewusstsein der Politiker geändert? Wie nehmen Sie das wahr?
Knappstein: Ich empfinde schon, dass mehr Politiker nicht nur reden, sondern auch wirklich versuchen, Dinge umzusetzen. Das merkt man durch die Antisemitismusbeauftragten der Länder oder auch des Bundes. Aber auch auf kommunaler Ebene wird stärker versucht, das in die Bevölkerung reinzutragen.
Das ist natürlich ein Prozess und das wird auch noch dauern. Aber ich möchte da gar nicht bei den Politikern stoppen: Wir bitten jeden Kölner und jede Kölnerin, an jeder Stelle gegen Antisemitismus aufzustehen. Denn es ist nicht nur gegen die Juden, es ist auch gegen das Lebensbild von vielen Kölnerinnen und Kölnern gerichtet.
DOMRADIO.DE: Mit dem Karneval beginnt eine Zeit der Freude, der Unbeschwertheit. Können Sie und Ihr Verein, die "Kölsche Kippa Köpp", in diesem Jahr unbeschwert Karneval feiern?
Knappstein: Auf jeden Fall. Karneval ist für uns ein Teil unseres Lebensgefühls, wie für so viele Menschen in dieser Stadt. Wir werden ganz unbeschwert feiern. Die Idee des Antisemitismus irgendwo als Teil unserer Gesellschaft ist sowieso da. Das ist so zu Karneval und auch an den Tagen, wo nicht Karneval ist. Damit können wir leider umgehen. Daher werden wir aber diese Zeit trotzdem sehr genießen. Viele von uns sind heute und auch in den nächsten Wochen unterwegs und werden sehr, sehr viel Spaß haben. Da bin ich sicher.
Das Interview führte Tobias Fricke.