Dresdener Frauenkirche bekommt einen neuen Pfarrer

"Mit Demut und großer Spannung"

Die Dresdener Frauenkirche ist ein Symbol für Frieden und Zer­störung. Pfarrer Markus Engelhardt freut sich Anfang Mai als neuer Pfarrer in der Dresdener Frauenkirche zu arbeiten und die Kirche als attraktives Gotteshaus zu gestalten.

Blick auf die wiederaufgebaute Frauenkirche in Dresden / © Julia Steinbrecht (KNA)
Blick auf die wiederaufgebaute Frauenkirche in Dresden / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie fühlt sich das an, neuer Pfarrer in der Dresdener Frauenkirche zu werden?

Engelhardt: Das fühlt sich sehr spannend an. Ich muss gestehen, ich hatte das Bewerbungsverfahren dort eher sportlich genommen, weil ich mir selber keine so großen Chancen ausgerechnet hatte. Ich bin bereits 59 Jahre alt, also nicht mehr der Jüngste und komme aus dem äußersten Südwesten und dazu noch aus einer Landeskirche der Badischen, die keine lutherische Kirche ist, was in Sachsen eine große Rolle spielt. Umso mehr hat es mich dann gefreut, dass es am Ende auf mich hinausgelaufen ist. Jetzt gehe ich mit Demut, aber auch mit Selbstbewusstsein und großer Spannung auf diese neue Aufgabe zu.

DOMRADIO.DE: Jetzt hegen Sie aber den Wunsch, schon länger an einer zentralen Großstadtkirche pastorale Arbeit zu tun. Und Sie sagen, Sie möchten gerne Kirche am Markt sein. In Dresden gehören etwa vier von fünf Einwohnern überhaupt gar keiner Religion an. Wie packen Sie das jetzt an in Dresden?

Engelhardt: Das ist eine gute Frage. Ich kann jetzt natürlich noch keine fertige Regierungserklärung abgeben. Man ist immer gut beraten, gerade als Pfarrer, wenn man eine neue Stelle antritt, am Anfang kein großes Maul, aber dafür ein großes Ohr zu haben. 

Ich will viel hinhören und die Menschen kennenlernen, die dort an der Frauenkirche mit mir zusammen Verantwortung haben und muss mich tatsächlich auf ein ganz verändertes Umfeld einstellen. Dresden ist zu 80 Prozent nicht religiös, atheistisch. Da werde ich sicher auch eine neue Sprache finden müssen, um diese Menschen, von denen ja viele auch in diesen Touristen-Hotspot Frauenkirche strömen, so anzusprechen, dass sie vielleicht doch neugierig werden und ein bisschen anders aus dieser Kirche wieder rausgehen, als sie reingekommen sind.

DOMRADIO.DE: Die Frauenkirche ist das bedeutendste protestantische Gotteshaus in Deutschland. Mit wie viel Ehrfurcht gehen Sie da ran?

Engelhardt: Ehrfurcht ist ein Terminus, der eher im katholischen Bereich verbreitet ist. Der ist uns Protestanten eher ein bisschen fremd. Ich will lieber das schon benutzte Wort Demut vor diesem Ort und seiner Historie und auch vor dieser großen Aufgabe verbinden. Ehrfurcht macht schnell auch so ein bisschen klein und kann einen auch lähmen. Das will ich nicht. Aber ich habe schon großen Respekt davor.

Ich bringe keine ostdeutsche Biografie mit, also muss ich mich in die Befindlichkeiten der Menschen dort erst einmal etwas einfühlen und einfinden. Natürlich ist diese Kirche allein schon von ihrem überwältigenden Raum her auch eine Erfahrung, die ich mir gerade erst einmal erschließen muss. Solche Kirchen gibt es sonst im evangelischen Bereich kaum.

DOMRADIO.DE: Bleiben wir nochmal bei einer Unterschiedlichkeit: Sie sind verheiratet und zwar mit einer Pfarrerin. Heißt das, Sie können mal den Familienrat tagen lassen?

Markus Engelhardt (aktueller Stadtdekan von Freiburg und bald Pfarrer der Dresdener Frauenkirche): Das kann ich natürlich. Wobei auch das ist vielleicht ein bisschen ungewöhnlich. Wir gehen jetzt auf eine neue Familienkonstellation zu. Wir werden die sogenannte Wochenend-Ehe jetzt praktizieren müssen, weil meine Frau erst im letzten Herbst eine neue, sehr schöne Stelle hier in Freiburg angetreten hat.

Es war von vornherein klar, sollte dieses Bewerbungsverfahren für mich erfolgreich verlaufen, dann wird sie hierbleiben und so werde ich jetzt alleine nach Dresden gehen. Wir haben uns jetzt für dieses Jahr einen sehr genauen Plan gemacht, wann wir uns jeweils in Dresden oder in Freiburg sehen können.

Heutzutage kann man einen Familienrat auch digital tagen lassen. Insofern bin ich da ganz zuversichtlich, dass uns das auch gelingt.

DOMRADIO.DE: Die Frauenkirche ist auch ein Ort gesellschaftspolitischer Diskurse. Sie haben sich zum Moderator für kirchliche Transformationsprozesse weitergebildet. Möchten Sie in Ihrer Amtszeit die Frauenkirche zu irgendeinem bestimmten Ort machen?

Engelhardt: Alle, die an der Kirche arbeiten, empfinden sicher, dass wir jetzt vor einer gewissen Zäsur stehen. Die Frauenkirche hat in diesen ersten 15 Jahren, die sie jetzt seit ihrer Weihe in 2005 wieder als kirchlicher Ort existiert, sehr stark von diesem übermächtigen Narrativ ihrer Geschichte gelebt, der Zerstörung und dieser großartige Wiederaufbau. Aber inzwischen ist auch dieser Ort in einer gewissen Normalität angekommen und man muss aufpassen, dass das jetzt nicht so sehr ins Museale abgleitet.

Wir müssen jetzt fragen: Wie soll der Ort Frauenkirche sich jetzt gut für die Zukunft aufstellen, in einer Zeit, in der die Säkularisierung scheinbar unaufhaltsam voranschreitet? Das ist ja gerade in Ostdeutschland mit den Händen zu greifen, wo unsere Gesellschaft immer mehr zerfasert und der Gemeinsinn abhanden kommt. Wie kann die Frauenkirche ein Ort sein, wo vielleicht Menschen und Weltanschauungen, die sonst nur noch in ihren Blasen existieren, auch irgendwo miteinander ins Gespräch kommen? Und über all das müssen wir uns in der nächsten Zeit intensiv Gedanken machen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Pfarrer Markus Engelhardt / © Timo Sorg (Evangelische Kirche in Freiburg)
Quelle:
DR