Mit einem Gottesdienst beginnen die Feiern zum Mauerfall-Jahrestag

"Einheit war ein Geschenk Gottes"

Mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Berliner Gethsemane-Kirche haben am Montagmorgen die Feiern zum 20. Jahrestag des Mauerfalls begonnen. (domradio-Korrespondent Dominik Rzepka berichtet.) Bereits am Sonntag würdigte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Rolle der Kirchen bei der friedlichen Revolution in der DDR. Deutsche und polnische Bischöfe erinnerten bei einem Gottesdienst auch an den Beitrag von Papst Johannes Paul II.

 (DR)

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, rief die Menschen in Ost und West auf, «in Geduld und Ausdauer weiter Brücken zueinander zu bauen». Potenzielle Mauerbauer gebe es überall, auch heute. «Sie sollten nicht das Sagen haben, weder in der Gesellschaft noch in den Kirchen.»

An dem Dankgottesdienst in der Gethsemanekirche nahmen unter anderen Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und zahlreiche Minister ihres Kabinetts sowie internationale Gäste teil. Die evangelische Kirche im Prenzlauer Berg war mit im Herbst 1989 mit zahlreichen Protestveranstaltungen und Gottesdiensten das Zentrum der Oppositionsbewegung im Osten Berlins.

Zollitsch betonte den Dank der Deutschen dafür, dass die Einheit ohne Gewalt und Blutvergießen gefallen sei und erinnerte an den Einsatz von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) zum Zusammenwachsen Europas. Weiter sagte er, auch in der DDR hätten Menschen «in einer verordneten Unfreiheit mit Anstand und Würde» gelebt. Es habe durchaus auch in dem von Unrecht geprägten Staat ein «Leben in Normalität» gegeben, «auch wenn die Unfreiheit manche Kompromisse und bittere Einschränkungen abverlangte». Die Einheit, so der Erzbischof weiter, habe viele Väter und Mütter. Vielfach seien es Menschen, die damals wie heute nicht im Rampenlicht gestanden hätten.

Gedenken an Papst Johannes Paul II.
In der Sankt-Hedwigs-Kathedrale sagte bereits am Sonntag der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky, der Appell Johannes Paul II. bei dessen Amtsantritt 1978, die Tore weit zu öffnen für Christus, habe ungeahnte Wirkung entfaltet.

Erzbischof Andrzej Dziega von Stettin-Kammin (Szczecin-Kamien) sagte, Johannes Paul II. habe einen Funken der Hoffnung entzündet.  Dies habe mit zum Abbau der Mauern und Grenzen geführt. An dem Gottesdienst beteiligten sich auch der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Jean-Claude Perisset, und der polnische Altbischof Adam Dyczkowski von Grünberg-Landsberg/Warthe (Zielona Gora-Gorzow Wielkopolski).

Sterzinsky betonte, Johannes Paul II. habe wie der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow dazu beigetragen, den unbändigen Drang nach Freiheit in der DDR zu stärken. Dass dies zum Fall der Mauer geführt habe, sei nicht "Wahnsinn" gewesen, wie es oft ausgedrückt werde. Aus christlicher Sicht sei es ein Wunder, zu dem sich viele menschliche Bestrebungen verknüpft hätten, so der Berliner Erzbischof.

Merkel würdigt Beitrag der Kirchen zur Wende
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zum 20. Jahrestag des Mauerfalls die Rolle der Kirchen bei der friedlichen Revolution in der DDR gewürdigt. "Die Kirchen haben einen Schutz gegeben in der ehemaligen DDR, um Meinungsfreiheit leben zu können, und sie waren mutige Begleiter in der Phase der Montagsdemonstrationen und Friedensgebete", sagte Merkel in ihrer wöchentlichen Videobotschaft.

Der 9. November 1989 sei "der glücklichste Tag der jüngeren deutschen Geschichte", sagte die Kanzlerin und lobte den Einsatz der DDR-Bürgerrechtler. Sie hätten durch ihr mutiges Eintreten für Freiheit und Demokratie ganz wesentlich dazu beigetragen, dass die Maueröffnung möglich wurde.

Käßmann: NS-Progrome werden nicht vergessen
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, sagte, sie sei dankbar für die entscheidende Rolle der evangelischen Kirche in dieser Zeit. Am 9. November 1989 sei ein Traum in Erfüllung gegangen, den viele nicht mehr zu träumen gewagt hätten.

Dass am 9. November 1938 auch die Pogrome der Nationalsozialisten an den Juden stattfanden, werde nicht vergessen: "Versöhnung wird deshalb zentrale Aufgabe für uns als Kirchen bleiben, Versöhnung zwischen den Völkern Europas und Versöhnung mit Menschen jüdischen Glaubens." Der 9. November sollte nach den Worten der hannoverschen Landesbischöfin zentraler Feiertag sein, weil er die Höhen und die Tiefen der deutschen Geschichte verbinde, Mahnung und Ermutigung zugleich sei.

Feierlichkeiten in Berlin
Die größte Jubiläumsveranstaltung zum 20. Jahrestag des Mauerfalls wird am Montagabend das "Fest der Freiheit" am Brandenburger Tor in Berlin sein, zu dem mehrere Hunderttausend Besucher aus dem In- und Ausland erwartet werden, darunter auch Staatsgäste wie US-Außenministerin Hillary Clinton und die Präsidenten von Russland und Frankreich, Dmitri Medwedew und Nicolas Sarkozy.

Außerdem sollen rund 1.000 überdimensionale Dominosteine auf dem 1,5 Kilometer langen ehemaligen Mauerabschnitt vom Potsdamer Platz bis zum Spreeufer am Reichstag zu Fall gebracht werden. Zuvor gibt Bundespräsident Horst Köhler einen Empfang im Schloss Bellevue.

Bereits am Nachmittag will Bundeskanzlerin Merkel zusammen mit den ehemaligen Präsidenten Polens und der Sowjetunion, Lech Walesa und Michael Gorbatschow, sowie weiteren Zeitzeugen das Gelände des ehemaligen Grenzübergangs Bornholmer Straße in Berlin besuchen. Zum Auftakt des Jubiläumstages laden EKD und die katholische Deutsche Bischofskonferenz zu einem ökumenischen Gottesdienst in die Gethsemanekirche ein.