Erwachsene sollten nach Meinung des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki öfter mal die Perspektive der Kleinsten einnehmen. "Kinder sind Seelen, die spüren, wofür wir längst schon stumpf sind", sagte er am Mittwochabend im Kölner Dom. "Kinder sind wie Augen, die sehen, wofür wir längst schon blind sind. Kinder sind wie Ohren, die hören, wofür wir längst schon taub sind. Kinder sind wie Seelen, die spüren, wofür wir längst schon stumpf geworden sind. Kinder sind wie Spiegel. Die zeigen uns, was wir so gerne verbergen." Durch sie könne auch bei den Großen der Blick für das Wesentliche geschärft werden, so der Erzbischof beim 11. traditionellen ökumenischen Gottesdienst für die Karnevalisten.
"Wo Kinder ins Spiel kommen, bekommt alles ein frisches, natürliches Gesicht – voller Farbe, voller Wärme, voller Leben", sagte er in Anlehnung an das diesjährige Motto des Kölner Karnevals "Wenn mer uns Pänz sinn, sin mer vun de Söck" ("Wenn wir unsere Kinder sehen, sind wir von den Socken.")
Kritik übte Woelki an der sozialen Situation von Familien. So sorgten sich Eltern über zu wenige Krippenplätze und Ganztagsschulen. "Und ein Armutsrisiko sind Kinder auch noch, ein Armutsrisiko für ihre Eltern." Auch die Jungen und Mädchen bekämen diese Themen mit. "Wie das wohl für die Kinder ist?", gab der Kardinal zu bedenken. "Vielleicht werden sie irgendwann einmal erahnen: Ich bin ein Problem. Und vielleicht werden sie sich denken: Na, so ein Problem, das tust du dir nicht an. Das hast du später mal ganz sicher nicht." Dabei seien Kinder "ein großes Glück". Denn durch sie finde man die Welt, "wie Gott sie haben will", sagte Woelki.
Unvoreingenommenheit von Kindern gegenüber Fremden als Vorbild
Die Menschen in Deutschland rief Woelki dazu auf, sich an der Unvoreingenommenheit von Kindern gegenüber Fremden ein Beispiel zu nehmen. Auch sorge der Nachwuchs mit seinen kritischen Fragen dafür, dass sich die Großen nicht mit Missständen abfinden. Als Beispiel nannte Woelki die Wohnsituation von geflüchteten Familien in Asylbewerber-Unterkünften. "Manchmal fängt man an, sich zu schämen für die Antwort, und auf einmal wird einem klar: So kann es nicht mehr bleiben." Und wenn ein Kind frage, ob es "dem Opa im Himmel jetzt wieder besser geht", müsse man sich Gedanken machen, "die man immer verdrängt hat". So fänden die Erwachsenen in den Antworten für die Kinder manchmal auch eine für sich selbst, erklärte der Erzbischof.
Den Kölnerinnen und Kölnern wünschte Woelki eine friedliche und frohe Session und Karnevalstage, an denen das große Volksfest für jedermann im Mittelpunkt stehen und durch nichts anderes gestört werden möge.
Pfarrer Baumberger: An den Kindern ein Beispiel nehmen
Der evangelische Pfarrer Otmar Baumberger betonte in seiner Ansprache das gute ökumenische Miteinander der Kirchen in Köln, besonders auch in der Flüchtlingshilfe und im sozialen Bereich. Auch er betonte, die Erwachsenen sollten sich an den Kindern ein Beispiel nehmen - auch beim Karnevalfeiern. Mit Kindern könnte man das Böse in der Welt vielleicht ein Stück überwinden.
Das Lachen sei überlebenswichtig für die Menschen, auch für diejenigen, die ihre Heimat verlassen mussten und für die Christen im ökumenischen Miteinander.
In seinem Grußwort zum Gottesdienst hatte der Kölner Stadtdechant Robert Kleine angemerkt, dass das Sessionsmotto auch von Jesus selbst stammen könnte und das Markusevangelium zitiert: "Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen." (Mk 10,15). "Damit ist nicht gemeint, dass wir kind-isch sein sollen, wohl aber kind-lich", so Kleine. Das meine im positiven Sinne vertrauensselig, offen für andere, ehrlich, ungekünstelt, nicht berechnend, fröhlich. Und das sei doch genau die richtige Haltung, um miteinander Karneval zu feiern – als kleine und große Pänz!
Fürbitten von den Prinzen, Jungfrauen und Bauern
Die Fürbitten trugen das designierte Kölner Dreigestirn 2017 (Prinz Stefan I., Jungfrau Stefanie und Bauer Andreas) und das Kölner Kinderdreigestirn 2017 vor. Zahlreiche Vertreter der Kölner Karnevalsgesellschaften unterstützten in ihren Uniformen die gleichermaßen besinnliche wie festliche Atmosphäre. In der gesamten Session 2017 wird der Kölner Karneval auch in der Domkirche erlebbar: Kardinal Woelki segnete eine mit karnevalistischen Motiven verzierte Kerze, die bis Aschermittwoch vor dem Dreikönigenschrein brennen wird. Entzündet wurde die Kerze durch das Kinderdreigestirn, das bereits am Sonntag vor dem Gottesdienst proklamiert wurde. Das Kinderdreigestirn war es auch, das die Kerze zuvor bunt gestaltet hat.
Kollekte für Kinderprojekte
Seit dem ersten Pontifikalamt mit den Kölner Karnevalisten – und seit 2016 nun auch beim ökumenischen Domgottesdienst – fließt die Kollekte in der Hohen Domkirche immer in Vereine oder Projekte von sozialer und gesellschaftlicher Relevanz. In diesem Jahr wird auf gemeinsamen Wunsch von Dompropst Prälat Gerd Bachner und dem Vorstand des Festkomitee Kölner Karneval von 1823 die Kollekte des Domgottesdienstes in Projekte fließen, von denen Kinder profitieren. Dafür wurden zwei Projekte ausgesucht, die den Karneval über den Aschermittwoch hinaus in die Stadt tragen und den Kölner Kindern nachhaltig zugutekommt.
Seit vielen Jahren fahren die "Juppis", die Spielemobile, durch die Kölner Straßen und besuchen Kinder überwiegend in sozial belasteten Gebieten zum gemeinsamen Spielen. Angesprochen durch dieses alternative Freizeitangebot werden Kinder und Jugendliche unterschiedlichster Kulturen und sozialer Herkunft, sowie deren Eltern und Anwohner. Aktuell werden die Spielemobile auch dort eingesetzt, wo vermehrt Flüchtlingsfamilien leben. Diese rollenden Spielplätze sind ein herausragendes Integrationsprojekt. Die Kollekte wird nun in ein dringend benötigtes neues Fahrzeug investiert, dass sich vor allem an den Bedürfnissen älterer Kinder und Jugendlicher orientiert. Im zweiten Projekt wird die bereits bestehende Verbindung zwischen dem Kölner Zoo und dem Kölner Karneval weiter ausgebaut und die geplante Spielplatzerweiterung im Kölner Zoo unterstützt. Damit wird den Pänz ein toller Ort der Begegnung im Kölner Zoo geschenkt, an dem sie spielerisch mit dem Karneval in Berührung kommen.
Markus Ritterbach scheidet nach der Session aus dem Amt
Für einen der wichtigsten Menschen im Kölner Karneval war der Gottesdienst der letzte im Amt: Am Aschermittwoch wird Markus Ritterbach sein Ehrenamt als Präsident des Festkomitee Kölner Karneval von 1823 nach elfjähriger Amtszeit beenden und damit den Weg für eine Nachfolge freimachen. In seiner Ansprache betonte Ritterbach, dass es im Karneval keine Ausländer gebe. Jeder Jeck sei anders und der Karneval ermögliche es den Menschen, sich noch einmal wie die Kinder zu fühlen.
Der Kölner Karneval wurde in der Amtszeit von Markus Ritterbach durch das Land NRW und die Bundesrepublik Deutschland als Immaterielles Kulturgut anerkannt.