Der 19. März 2022 ist in die Geschichte des Pontifikats von Papst Franziskus eingegangen. Es kam einem unvorhergesehenen Donnerschlag gleich, als er an jenem Samstag seine Kurienreform "Praedicate Evangelium" veröffentlichte. Jahrelang hatten alle auf das Dokument gewartet. Auch wenn viele Reformelemente längst angestoßen, andere, wie die Zusammenlegung einiger Behörden, erwartbar waren. Und doch war das Endergebnis für Überraschungen gut.
Etwa die Öffnung höchster Kurienämter für Laien - weiblich und männlich. Oder die zeitliche Begrenzung der Amtszeiten für Kuriale.
Anfang Juni trat die Reform in Kraft. Nun befindet sich die Kurie in einem Schwebezustand - und ein Ende des Limbos ist nicht in Sicht.
Franziskus lässt sich Zeit
"Zeit ist wichtiger als Raum", zitiert ein hoher Kurienmitarbeiter Papst Franziskus auf die Frage, wie es um die Umsetzung der Reform steht. Schnelle Resultate seien nicht das Ziel, sondern es gehe darum, Prozesse auf den Weg zu bringen. So auch bei dieser Reform.
Damit sei Stand der Dinge der "Status quo", bis weitere Schritte durch den Papst in die Wege geleitet würden. Zeitgleich ist in einzelnen Behörden von Visitationen die Rede, um die gegenwärtige Situation zu evaluieren. An anderer Behördenstelle heißt es: "Die Begeisterung für die Reform ist nicht groß."
Die Römische Kurie ist die Gesamtheit der Behörden und Gerichte, die der Papst zum Regieren der Weltkirche nutzt. Dazu gehören das Staats- sowie das Wirtschaftssekretariat, Dikasterien, Gerichtshöfe und Kommissionen. Mit der Kurienreform haben sich die Bezeichnungen und Zuschnitte vieler Kurienbehörden geändert. Gab es vorher Räte, Kongregationen und Dikasterien, gibt es nun nur noch Dikasterien, Gerichte und Finanz-Institutionen.
Neue Gremien, etwa das Investitionskomitee, wurden ins Leben gerufen.
Kurienordnung steht noch aus
Hier steht bereits fest, dass der US-amerikanische Kurienkardinal Kevin Joseph Farrell (74) die Leitung übernimmt. Andere Posten, etwa der des Almosenmeisters unter der Ägide von Kardinal Konrad Krajewski (58), wurden zum Dikasterium aufgewertet. In der Theorie sind diese Änderungen leicht nachvollziehbar. In der Praxis sieht es offenbar anders aus.
Angefangen bei den Übersetzungen: Bis heute liegen keine Übersetzungen des Textes der Kurienreform vor. Auch steht die neue "Kurienordnung" noch aus. Und dann müssen die einzelnen Behörden auch noch ihre internen Ordnungen anpassen. Ohne Übersetzungen sind aber schon die Benennungen der Behörden und Ämter nicht wirklich klar. So ist zwar die italienische Seite von vatican.va mittlerweile angepasst, auf dem deutschen Internetauftritt sieht es aber weiterhin aus wie vor der Reform. Darüber steht: "Die aktualisierte Version der Rubrik Römische Kurie ist derzeit in italienischer Sprache verfügbar."
Einzelne Vatikanbehörden haben wiederum ihre Internetauftritte angepasst, etwa das neue Dikasterium für die Einheit der Christen.
Aber genau genommen ist auch dort noch etwas offen. Denn in allen Behörden, die nicht zuvor bereits ein Dikasterium waren, muss die Leitung mit dem Inkrafttreten der Reform bestätigt werden.
Das heißt zum Beispiel, auch der Präfekt des bisherigen Einheitsrates, Kardinal Kurt Koch (72), müsste - formal - im Amt bestätigt werden. Auf der Seite der Behörde liest es sich so, als ob dies bereits geschehen sei.
Was passiert mit den Mitarbeitern?
Und dann sind da noch die Dikasterien, die aus zwei Behörden zusammengelegt wurden. Etwa Bildung und Kultur. Hier ist offen, wer die Leitung des neuen Dikasteriums für Erziehung und Kultur übernimmt. Kardinal Gianfranco Ravasi (79) und Kardinal Giuseppe Versaldi (78) gehen beide auf die 80 zu, das Alter, mit dem Kurienämter abgegeben werden müssen. Auch das sieht die Reform vor.
Und was passiert mit den Mitarbeitern? Dürfen alle bleiben? Oder nur ein Teil? Das neu geschaffene Dikasterium für Evangelisierung will Papst Franziskus künftig selbst leiten. Doch hier sind noch zwei Pro-Präfekten zu besetzen, die viel der alltäglichen Arbeit übernehmen werden. Und das sind bei weitem nicht alle offenen Posten.
Nahezu unterhalb des Radars hat das Generalsekretariat für die Bischofssynode derweil seinen Namen geändert. Nun ist es ohne weitere Zusätze das "Generalsekretariat für die Synode". Damit ist auch der Zuschnitt der Behörde ein anderer geworden. Das ist gerade mit Blick auf die laufende Weltsynode nicht unerheblich. Die Veränderungen kommen, aber in welchem Tempo und wann - das entscheidet am Ende allein der Papst.