Mitt Romney ist in der US-Politik angekommen

Bei den Evangelikalen vorne

Erstmals hat ein Mormone eine realistische Chance, zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt zu werden. Selbst die große Mehrheit der Evangelikalen gab jetzt an, sie würden den Republikaner Romney im November dieses Jahres wählen.

Autor/in:
Konrad Ege
 (DR)

Bei den Vorwahlen der Republikanischen Partei im Frühjahr galt als gesichert: Der Präsidentschaftsanwärter Mitt Romney könne nicht mit den Evangelikalen. Romney sei Mormone, und die Stammwähler der Partei, weiße evangelikale Christen, hätten große Probleme mit diesem "Kult". Die Evangelikalen stellen immerhin 20 bis 25 Prozent der Wähler und stimmen in der Regel zuverlässig für republikanische Kandidaten.



Aber scheinbar hat sich das Bild gewandelt. Dies zeigte sich zum Auftakt der Hauptsaison des Wahlkampfes in diesem Sommer. Beim Thema Romney höre man heute kaum noch kritische Stimmen von den Evangelikalen, sagte John-Charles Duffy dem epd. Duffy ist Professor für Religion in Amerika an der Miami Universität in Oxford (US-Bundesstaat Ohio).



Umfragen geben dem Religionsexperten recht. Bei der jüngsten Erhebung der "Washington Post" und des Fernseh-Netzwerks ABC gaben laut der Zeitung 78 Prozent der Evangelikalen an, sie würden Romney wählen. Der Think Tank "Brookings Institute" veröffentlichte im Mai eine Studie, der zufolge Romneys Religion wenig Einfluss auf das Wahlverhalten der Evangelikalen hat. Die konservativen Christen sähen Romney zunehmend als "den republikanischen Kandidaten und weniger als den Mormonen", kommentierte der Präsident des Nationalen Verbandes der Evangelikalen, Leith Anderson, im "Religion News Service".



Betont konservative Prinzipien

Romney habe klug taktiert im Wahlkampf, sagte Duffy: Der Kandidat verzichte auf den "nicht gewinnbaren" Versuch, Evangelikale zu überzeugen, dass Mormonen Christen seien. Vielmehr vertrete er betont konservative Prinzipien zu Abtreibung, Homo-Ehe und anderen sozialen Fragen. Romney hat in dieser Hinsicht Nachholbedarf, war er doch nicht immer ein harter Konservativer. Noch im Jahr 2002 sprach er sich für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch aus.



Als Gouverneur von Massachusetts (2003-2007) schuf der republikanische Politiker in seinem Staat eine umfassende Gesundheitsreform mit einer Versicherungspflicht - genau die Art der Versicherung, die Präsident Barack Obama gegen heftigste Kritik von rechts auf nationaler Ebene jetzt durchgeboxt hat.



Romney wäre der erste mormonische Präsident der USA. Mormonen stellen etwa zwei Prozent der US-Bevölkerung. Die 1830 gegründete "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage", nach den Katholiken, dem Südlichen Baptistenverband und den Methodisten die viertgrößte US-amerikanische religiöse Oraganisation, bringt schweres Gepäck mit - allein wegen ihrer Frühgeschichte der Vielehe.



Die Lehre der Mormonen gründet sich auf die angeblich "unvollständige" Bibel und das Buch Mormon, das Gründer Joseph Smith von einem Engel erhalten haben will. Mitglieder der "Kirche Jesu Christi" glauben, dass Gott sich noch heute in Offenbarungen zeigt und weiterhin zu den Menschen spricht, besonders durch den Präsidenten ihrer Kirche. Nach Auffassung der ökumenischen Kirchen ist sie jedoch weder eine christliche Kirche noch eine Sekte, sondern vielmehr eine Mischform aus mehreren Religionen.



Rätselhafte Mormonen

Mormonen stehen politisch weiter rechts als der "durchschnittliche" Amerikaner und gelten als besonders patriotisch.

Amerika spielt eine große Rolle in der von Mormonen verkündeten Heilsgeschichte. Laut ihrer Lehre wird Jesus Christus nach seiner Wiederkunft im "Neuen Jerusalem" regieren, das sich auf dem amerikanischen Kontinent befinden werde. Mitt Romney hat mehrere mormonische Ämter bekleidet. 1981 bis 1986 war er Bischof einer Gemeinde, und von 1986 bis 1994 Präsident des "Pfahls" von Boston. Ein "Pfahl" ist ein Verband vom Gemeinden, vergleichbar mit einer Diözese.



In der US-Gesellschaft haftet den Mormonen freilich das Image der Geheimniskrämerei an, dürfen doch nur Mitglieder ins Tempelinnere und an bestimmten Riten teilnehmen. Bei der Umfrage von "Washington Post" und ABC erklärten 20 Prozent der befragten US-Amerikaner, sie hätten ein ungutes Gefühl, wollte ein enges Familienmitglied einen Mormonen heiraten.



Vertreter der Demokratischen Partei und Barack Obamas Wahlkampagne klammern das Thema "Mormonentum" weitgehend aus. Diese Woche hat Präsident Obama erstmals einen Mormonen zum "US Rat für Glaubensfragen" berufen. Der Ausschuss von Vertretern unterschiedlicher Glaubensgruppen berät das Weiße Haus bei der Zusammenarbeit mit religiösen Verbänden. Der neuernannte Steven Snow ist bei den Mormonen Mitglied des "Ersten Quorums der Siebzig", eines führenden Gremiums.