Mönch beeindruckt von Bild des James-Webb-Weltraumteleskops

"Das Licht ist eine riesige Zeitmaschine"

Die NASA hat das erste Farbbild des James-Webb-Weltraumteleskops veröffentlicht. Es zeigt tausende Galaxien und ermöglicht einen Blick in die Frühphasen der Universums. Benediktiner-Pater Christoph Gerhard ist begeistert.

Erstes Bild des James-Webb-Weltraumteleskop (Webb's First Deep Field) / © Space Telescope Science Institut/NASA (dpa)
Erstes Bild des James-Webb-Weltraumteleskop (Webb's First Deep Field) / © Space Telescope Science Institut/NASA ( dpa )

DOMRADIO.DE: Das James-Webb-Teleskop war an Weihnachten 2021 ins All gestartet. Mit welchen für Gefühlen haben Sie jetzt die Präsentation dieser ersten Aufnahme verfolgt?

Pater Christoph Gerhard / © Katharina Ebel (KNA)
Pater Christoph Gerhard / © Katharina Ebel ( KNA )

P. Christoph Gerhard OSB (Benediktinerpater in der Abtei Münsterschwarzach und Hobby-Astronom):

Ich hab es gleich nach dem Aufstehen angeschaut. Zugegebenerweise war meine Neugier sehr groß. Wir waren sehr gespannt darauf, das Bild zu sehen. Bis dahin war es eine lange Strecke und es dauerte über ein halbes Jahr, bis es sich entfaltet hat, bis es am richtigen Ort war, bis es abgekühlt war und so weiter. Was da jetzt noch alles an Infos kommt, interessiert mich brennend - die physikalischen Eigenschaften, wie genau es aufgenommen worden ist, die Wellenlängen und Spektren. Darauf warte ich natürlich noch. Das ist allerdings erst heute Nachmittag (Dienstag).

DOMRADIO.DE: Das Bild wirft einen Blick 13 Milliarden Jahre zurück in die frühe Geschichte des Universums, quasi in die Vergangenheit. Wie kann das sein?

P. Christoph: Das mit den 13 Milliarden Jahren ist eine schwierige Sache. Das müsste genauer analysiert werden. Das ist meines Wissens bislang noch gar nicht bestätigt oder zumindest nicht veröffentlicht worden. Was es aber mit der Vergangenheit auf sich hat, hängt mit der Lichtgeschwindigkeit zusammen. Alle Objekte, die wir sehen, sehen wir als ein Abbild dessen, was von Photonen, also Lichtteilchen, ausgesandt worden ist. Beim Mond sind das beispielsweise 380.000 Kilometer. Wenn das Licht also 300.000 Kilometer in der Sekunde zurücklegt, sehen wir den Mond, wie er vor 1,3 Sekunden war. Bei unserer Sonne sind das  immerhin acht Minuten. Wir schauen praktisch immer in die Vergangenheit. Wenn man einen Galaxienhaufen sieht, der weit entfernt ist oder der vor langer Zeit sein Licht ausgesandt hat, bis es zur Erde gekommen ist, dann schauen wir Milliarden von Jahren in die Vergangenheit. Wir haben eine riesige Zeitmaschine und diese Zeitmaschine ist das Licht.

Christoph Gerhard

"Wir haben eine riesige Zeitmaschine und diese Zeitmaschine ist das Licht"

DOMRADIO.DE: Was ist auf dem Bild denn genau zu sehen?

P. Christoph: Es ist ein Galaxienhaufen und natürlich deshalb auch ausgesucht worden. Im Vordergrund steht eine Galaxie, die diesen Galaxienhaufen komplett verzerrt. Im Grunde genommen sieht man in der Mitte von diesem Bild neben dem hellen Stern rechts unterhalb eine diffuse Galaxie, die so etwas wie Gravitations-Linsen-Effekte in dieses Bild hineinbringt. Das heißt, sie verformt die Raumzeit und damit muss das Licht sozusagen um die Kurve. Das sind diese verzogenen Bilder von diesen Galaxien, die im Hintergrund stehen. Das sehen wir auf diesem Bild. Es ist zudem eine Nahinfrarot-Aufnahme. Wir sehen ein farbiges Bild, aber das würden wir natürlich mit unserem normalen Auge nicht so sehen, sondern diese Bilder sind mit Infrarotlicht, also mit Wärmestrahlung bis hin zur zehnfach längeren Wellenlänge abgebildet. Deswegen kann man auch so weit in die Vergangenheit zurückblicken.

DOMRADIO.DE: Das James-Webb-Teleskop ist bislang nicht nur das leistungsstärkste Teleskop sondern mit 10 Milliarden Dollar auch das teuerste. Warum lohnt sich das für die Forschung, so viel Geld auszugeben? Warum ist das von höchstem Interesse für die Menschheit?

P. Christoph: Es geht um die uralte Frage: Wo kommen wir her als Menschen? Und wo gehen wir hin? Das ist natürlich etwas, das wir gerne wissen und auch naturwissenschaftlich erforschen möchten. Dafür ist dieses Teleskop ein hervorragendes Arbeitsinstrument. Und wir würden natürlich gerne wissen, was da war am Anfang - zeitlich und physikalisch. Was ist da passiert und wie ist es bis zu uns gekommen? Und auch, wohin geht das Ganze? Die Naturwissenschaft möchte nicht nur die Vergangenheit erforschen, sondern möchte auch noch Voraussagen für die Zukunft treffen.

DOMRADIO.DE: Über den Anfang macht man sich auch in der Religion viele Gedanken. Sie selbst sind Ordensmann, verfolgen die neuesten Forschungsergebnisse mit Passion. Warum steht für Sie der Glaube in keinem Widerspruch dazu?

P. Christoph: In der Bibel heißt es "im Anfang" und nicht "am Anfang": "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde", sprich Gott ist der Schöpfer der Welt. Er hat diesen Anfang vor aller Zeit gesetzt. Erst mit der Physik, mit der Zeit, mit dem Urknall beginnt unsere Schöpfung. Erst dann setzen wir wieder mit der Astronomie an, "am Anfang", am zeitlichen Anfang. Dahinter können wir nicht schauen, weil die Physik da ihre Definition verliert, weil die Zeit damit anfing. Das ist der große Unterschied.

Pater Christoph Gerhard

"Dabei ist klar, dass diese Tage keine zeitliche Abfolge sind, sondern im Grunde genommen ein Schöpfungsgedicht, ein Schöpfungslied auf den Schöpfer"

Die Bibel schaut nicht als naturwissenschaftliches Buch zurück, sondern als theologisches Buch, als Buch der Glaubenserfahrungen mit diesem Gott. Das ist doch ein Glaubensbekenntnis, dass man sagt, im Anfang steht dieser Gott, der alles erschaffen hat. Zudem ist es auch eine qualitativ sehr starke Aussage. Er hat nämlich alles "gut" geschaffen. Die Schöpfungserzählung blickt jeden Tag zurück, auf das was da geschehen ist. Dabei ist klar, dass diese Tage keine zeitliche Abfolge sind, sondern im Grunde genommen ein Schöpfungsgedicht, ein Schöpfungslied auf den Schöpfer, das jeden Tag mit dem Lob abschließt, jeden Tag hat Gott alles sehr gut geschaffen.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Quelle:
DR