Monsignore Dane zur Lehrschrift des Papstes

"Kein Umsturz, sondern ein Ernstmachen"

"Wenn das umgesetzt wird, ist es eine große Reform", sagt Monsignore Gerhard Dane im domradio.de-Interview über das Evangelii gaudium. Die Entschlusskraft des Heiligen Vaters werde viele aus ihrer Lethargie reißen, glaubt er.

Papst Franziskus grüßt vor seiner Generalaudienz / © Claudio Peri
Papst Franziskus grüßt vor seiner Generalaudienz / © Claudio Peri

domradio.de: Wie war denn Ihr erster Eindruck vom Text des Papstes?

Dane: Mein erster Eindruck war, dass ich ihn noch gar nicht lesen konnte, das sind ja wer-weiß-wieviele Seiten. Aber die ersten Stichworte begeistern mich. Er macht also Ernst, es sind nicht nur Gesten, es ist eine Entschlusskraft in diesem Mann zu spüren, die viele aus der Resignation reißen wird.

domradio.de: In den Medien wird dieses Papier als große Neuerung, als Reform gefeiert - sehen Sie das auch so?

Dane: Wenn es umgesetzt wird, ist das eine große Reform. Es ist ein wirkliches Weitergehen in der Richtung des Konzils, insofern kein Umsturz, sondern ein Ernstmachen. Wenn ich etwa das Stichwort höre, "der Zentralismus muss abgebaut werden zugunsten der Ortskirchen", das ist etwas, worauf wir seit 50 Jahren warten.

domradio.de: Kann der Papst das umsetzen?

Dane: Der Papst kann es zumindest wollen, und da kann keiner mehr dran vorbei. Und grade die, denen es eigentlich nicht so Recht ist, die den Zentralismus lieben, lieben ihn ja wegen des Papstes. Also man kann nicht gegen den Papst, für Zentralismus sein.

domradio.de: Sein wichtigstes Thema im Text ist die Verkündigung der Kirche, er spricht immer wieder von Aufbruch und von der Gefahr der Seelsorger, träge zu werden, sich in gewisser Weise zurückzuziehen. Was sagen Sie dazu als langjähriger Seelsorger?

Dane: Evangelii gaudium, allein diese Formulierung ist für mich begeisternd. Dass das Evangelium erst einmal ein Gaudium ist, eine Freude, und nicht eine Last, und eine Mahnung und eine Drohung. Und das herauzustellen, das wird auch Priester, die wie ich seit fast 50 Jahren die Frohe Botschaft sagen, aus einer gewissen Lethargie reißen, dass man sagen wird "wir müssen noch einmal ganz neu gucken, was sagt Jesus dieser unserer Zeit und mir ganz persönlich, was mich froh machen kann".

domradio.de: Ist das denn so einfach umsetzbar, was müsste sich ganz konkret tun? 

Dane: Aufatmen, dass es diesen Bruder auf dem Papstthron gibt. Es muss einfach mit ihm neu hingehorcht werden: Was will das alte und altbekannte Evangelium vielleicht in mir und dir an neuer Strahlkraft entfalten? Und wenn wir da zusammen hinhören, werden wir auch neue Töne hören, wie jetzt aus Rom.

domradio.de: Der Papst schreibt, die Tür zu den Sakramenten dürfe nicht geschlossen werden, denn sie seien Heilmittel für die Schwachen und nicht Belohnung für die Vollkommenen. Lesen Sie das etwas heraus in Bezug auf die hierzulande hochaktuelle Frage nach dem kirchlichen Umgang mit Wiederverheiratet-Geschiedenen?

Dane: Das ist sicher ein hoffnungsvoller Satz. Das ist ein Balanceakt. Wir können nicht auf der einen Seite Zweifel aufkommen lassen, daran, dass die Ehe unauflöslich ist. Das wird auch sicher der Papst nicht wollen. Das ist einfach ein ganz wichtiger Grund, auf dem auch Eheleute stehen, die in der Krise sind. Wir dürfen ja auch nicht diejenigen verunsichern, die um ihre Ehe kämpfen. Das weiß der Papst mindestens so gut wie wir Seelsorger vor Ort. Es ist ein Balanceakt, denn auf der einen Seite sagen wir - wie Jesus - eine hohe Forderung, bleibt zusammen, bildet die Treue Gottes zu den Menschen in eurer Ehe ab, auf der anderen Seite, was machen wir im Sinne Jesu mit denen, die hinter diesem Ideal zurückbleiben? Jesus ist ja immer der, der hohe Forderungen stellt, gleichzeitig aber Verständnis lebt für die, die hinter diesen Forderungen zurückbleiben.

domradio.de: Wenn Sie sagen, es ist ein Balanceakt, dann heißt das aber auch, es muss noch viel Kraft hineingesteckt werden, bis Dinge in die Tat umgesetzt werden können, oder?

Dane: Ja, die Arbeit wird vor allem der Papst mit seinen Beratern leisten müssen. Wie kommen wir in diesem Balanceakt ans andere Ufer, einerseits Unauflöslichkeit der Ehe, andererseits Verständnis für die, die es nicht geschafft haben.    

Das Interview führte Verena Tröster.