Moraltheologe Schallenberg über das Spenden

"Man sollte auf etwas verzichten"

Viele Menschen denken im Advent weiter als nur an die eigene Familie und möchten etwas vom eigenen Wohlstand abgeben – also spenden. Doch was sagt die Heilige Schrift zum Spenden? Der Moraltheologe Prof. Peter Schallenberg kennt die Antwort.

Spenden / © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Spenden / © Karl-Josef Hildenbrand ( dpa )

domradio.de: Warum sind Spenden grundsätzlich richtig und wichtig?

Prof. Peter Schallenberg (Moraltheologe): Weil wir damit Nächstenliebe ausüben. Wir tun damit ganz schlicht und einfach das, was der barmherzige Samariter getan hat. Der hat dem im Straßengraben Liegenden geholfen, ihn auf den Esel gepackt und ins Wirtshaus gebracht. Er hat drei Tage Aufenthalt bezahlt und dem Wirt gesagt, wenn er mehr brauche, dann zahle er auch mehr, wenn er wieder zurückkommt. Das zeichnet das Spenden und die Barmherzigkeit aus. Jetzt nach dem Abschluss des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit ist es, glaube ich, sehr gut, sich daran auch noch einmal zu erinnern und sich zu fragen, was man mit dem tut, was man hat oder gar im Überfluss hat. Es ist der Aufruf, möglicherweise noch einmal genauer hinzuschauen, wo vielleicht im übertragen Sinne jemand im Straßengraben liegt, und nicht der Gefahr ausgesetzt ist, einfach achtlos vorbeizugehen.

domradio.de: Wenn jetzt jemand sagt: "Die, die da spenden, die erkaufen sich nur ein besseres Gewissen, weil sie sonst nichts tun". Was würden Sie dem entgegnen?

Schallenberg: Dem würde ich entgegnen, dass wir das nicht wissen. Das weiß nur der liebe Heiland. Gott sieht ins Herz, wir schauen nur auf das Äußere. Wir sehen, dass jemand etwas Gutes tut. Warum der barmherzige Samariter etwas Gutes getan hat, das wissen wir nicht, weil die Heilige Schrift nicht darüber berichtet. Von den Motiven eines Menschen wissen wir nichts. Wir nennen das in der katholischen Theologie "Forum internum" – den inneren Marktplatz. Das ist der Marktplatz, der in der Beichte, in der Gewissenserforschung betreten wird. Aber in der Öffentlichkeit kommt der gar nicht so zum Vorschein. In der Öffentlichkeit, im "Forum externum" sehen wir nur das, was jemand sucht.

Gott sieht unsere Motive. Das sind immer gemischte Motive. Der eine möchte in den Himmel kommen, der zweite möchte in die Zeitung kommen, der dritte möchte ins Gespräch kommen. Wenn etwas Gutes damit bewirkt wird, ist das schon einmal die halbe Miete. Wenn dann auch noch eine gute, selbstlose Motivation hinzukommt, ist das die volle Miete. Die volle Miete werden wir vermutlich erst in der Ewigkeit haben.

domradio.de: Behält man es denn lieber für sich, dass man gespendet hat oder nimmt man durch sein Schweigen anderen eine Anregung oder ein Vorbild weg?

Schallenberg: Beides gilt. In Evangelium lesen wir: "Deine rechte Hand soll nicht wissen, was deine linke tut". Also sollen wir demnach, wenn wir etwas Gutes tun, in die Kammer gehen, uns einschließen und nicht von anderen Leuten loben lassen. Die Heilige Schrift verweist schon deutlich darauf. Insofern müssen wir uns schon fast ein bisschen in Bezug auf die Antwort vorher korrigieren. Die Heilige Schrift verweist schon darauf, dass die innere Motivation auch überprüft wird; also ob wir etwas Gutes tun, um des Guten willens - wenn das überhaupt möglich ist - oder ob wir etwas Gutes tun, nur damit wir in der Öffentlichkeit als großartig erscheinen.

Insofern ist das "Nicht erzählen wollen" schon ein guter Grund. Auf der anderen Seite ist es auch ein guter Grund, dass man ein Vorbild ist und andere anspornt. Jeder von uns lebt durch Vorbilder, durch Inspiration, durch Dinge, die man liest. Das ist schon nicht schlecht. Ich würde sagen, wir sind Bürger zweier Welten. Wir stehen mit einem Bein in der Öffentlichkeit und mit einem Bein in der Innerlichkeit unseres Gewissens und unserer Motivation. Wir müssen uns überprüfen, aber wir sollten auch anderen ein gutes Vorbild geben.

domradio.de: Und dann ist da noch die große Frage: Wie viel gebe ich? Jeder so wie er kann, jeder so wie er hat?

Schallenberg: Auch dazu kommt die Antwort aus der Heiligen Schrift: Das Beste ist, man spendet nicht einfach aus dem Überfluss. Das ist leicht. Sondern man sollte auf etwas verzichten, dass an die Nieren, an die Substanz geht. Wieder eine Stelle aus dem Evangelium: Der Herr sitzt da und sieht, wie die Leute zum Opferkasten gehen. Und er sieht eine arme Witwe, wie sie zwei Kupfermünzen in den Opferstock wirft. Da sagt er zu den Jüngern, die Witwe habe alles gegeben, die anderen nur einen Teil vom Überfluss. An anderer Stelle sagt der Herr: Wenn ihr nur die einladet, die euch einladen, welchen Lohn wollt ihr dann erwarten?

Wenn wir nur drei Leute einladen und darauf warten, dass wir an der Reihe sind, ist das dann eine gute Tat? Vermutlich liegt hier eher eine Tauschgerechtigkeit vor. Wenn wir dem Bäcker 60 Cent für zwei Brötchen geben, ist das keine gute Tat, sondern nur gerecht und richtig. Etwas rechtmäßig einzufordern, ist nicht das letzte Ziel. Das letzte Ziel ist es, etwas so zu geben, dass es ein wenig weh tut, dass man etwas mehr gibt als man geben wollte, dass man sich vor Weihnachten überlegt, wen man über die Feiertage einlädt. Nur die, die auch einen selber einladen oder auch diejenigen, von denen man nichts zurückerwarten kann…

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Prof. Peter Schallenberg / © Harald Oppitz (KNA)
Prof. Peter Schallenberg / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR