Vor einigen Jahren in einem Heimaturlaub habe ich meinen Bruder und die Schwägerin besucht und war ziemlich entzückt über ihre wunderbaren Häkelarbeiten, mit denen die Wohnung sehr geschmackvoll ausgestattet war. Meine Schwägerin war noch jung, und ich hatte ihr eher Graffitis, Poster und Leuchtreklame an den Wänden zugetraut. Ich habe sie gefragt, ob sie mir das beibringen könnte und nach ihrer lapidaren Antwort: "Wenn du dich nicht zu dumm anstellt, ist das nicht so schwer", konnten wir anfangen. Und so haben wir stundenlang Filethäkelei probiert. Und nach vielen Reihen hab ich gemerkt, dass ich mich in einer Anfangsreihe verzählt hatte und jetzt den Fehler genau sehen konnte.
Ich wollte alles wieder aufmachen und den Fehler beheben, aber meine Schwägerin meinte ganz gelassen: "Wieso willst du das aufmachen? Man kann doch ruhig sehen, dass es Handarbeit ist." Und ich gestehe gerne, dass mir diese kleine Bemerkung meiner Schwägerin bis heute nachgeht. Nicht nur beim Handarbeiten, was ich im Moment mal wieder tue, sondern auch im normalen Leben.
Ich muss doch nicht perfekt sein. Man kann doch ruhig sehen, dass das Leben nicht immer im gleichen Muster verläuft, dass manchmal statt einem vollen Kästchen nur eine leere Masche da ist und das komplette Muster manchen Webfehler aufweist. Ich musste es erst lernen und muss mich immer wieder erinnern, wenn mein Perfektionismus mit mir durchgeht und ich nicht zufrieden bin mit dem, was ich gerade mache. Aber ich habe mittlerweile ziemlich viel Vertrauen darin, dass Gott mein Lebensmuster mit Gelassenheit und Schmunzeln anschaut und zu den Fehlern im Muster eine barmherzige Idee hat.
