domradio.de: Wie sehr hat sich das Leben in Tabgha in diesen Wochen seit dem Anschlag verändert?
Msgr. Ludger Bornemann (Geistlicher Leiter des Pilgerhaueses in Tabgha):Es hat sich unmittelbar nach dem Anschlag vor allen Dingen dadurch verändert, dass sozusagen die 5000 noch einmal da waren. Nämlich die vielen, vielen Leute die gekommen sind, um ihre Anteilnahme zu zeigen. Es gab eine große Demonstration einheimischer Christen. Aber viel beeindruckender fand ich die vielen Leute, die spontan vorbeigekommen sind. Jüdische Leute, die jeden Tag an der Kirche vorbeifahren, aber diesmal reingekommen sind. Jemand hat uns eine Palette mit Wasser gestiftet. Jemand hat uns einfach Blumen gegeben. Und das waren sehr schöne, anrührende Zeichen von zusammenkommenden Menschen, die sonst nicht so zusammen kommen. Es waren Drusen da, es waren Muslime da, Juden und Christen. Also, im Prinzip kann man fast sagen, der Herr hat an diesem Ort noch einmal mindestens 5000 Leute zusammengerufen. Das ist die andere Seite dieser furchtbaren Katastrophe.
domradio.de: Auf der anderen Seite müssen Sie wahrscheinlich auch die Angst haben, dass sich so ein Anschlag wiederholen könnte, oder?
Msgr. Ludger Bornemann: Das ist auf der einen Seite nicht auszuschließen. Ich glaube, im Moment eher weniger, weil einfach doch die anschließende Veröffentlichung und die große, auch mediale Wahrnehmung gezeigt hat, dass das nicht einfach nur so eine kleine Jungsschmiererei oder eine kleine Geschichte gewesen ist. Sondern, dass selbst auch der Staat Israel jetzt einfach merkt, wir müssen das jetzt als eine Form von Terrorismus, die es hier eben auch gibt sehen und entsprechend auch verfolgen. Was inzwischen anscheinend auch geschehen ist.
domradio.de: Sie sind der geistliche Leiter des Pilgerhauses in Tabgha und begleiten die Pilger und auch die Mönche dort vor Ort. Welche Folgen hat dieser Anschlag auf den Pilgerort Tabgha?
Msgr. Ludger Bornemann: Es hatte unmittelbar die Folge, dass wir erstmal zwei Wochen auch die Kirche nicht öffnen konnten, weil dieses Atrium in dem sich diese Räume befinden, die ausgebrannt waren, natürlich erstmal vom Brandschutt befreit werden mussten. Das ist inzwischen auch passiert. Man merkt, wenn man jetzt noch durchgeht, was auch wieder möglich ist. Seit einer Woche haben wir die Kirche auch wieder geöffnet für den Besucher und für die Pilger, die kommen. Man merkt, dass der Brandgeruch natürlich auch noch drin hängt. Das geht uns auch noch nach, wenn wir morgens da die Messe feiern. Man geht jedes mal durch diesen Anschlagsort auch durch. Jedes mal, wenn wir zum Gebet in eine kleinere Kapelle, die zum Kloster gehört, gehen. Dann sieht man auch das Graffiti. Insofern ist das alles auch noch sehr präsent. Was uns auf der anderen Seite aber auch wieder hilft, einfach auch immer wieder darüber zu reden. Im Grunde gibt es bei traumatischen Erfahrungen, und das ist ja so eine, erstmal nichts anderes, als immer wieder darüber zu reden.
domradio.de: Warum haben Sie das Graffiti noch nicht entfernt. Soll das als Mahnmal stehen bleiben?
Msgr. Ludger Bornemann: Nein, das wird nicht stehen bleiben. Aber im Moment muss einfach alles, was mit dem Brand zu tun hat noch da bleiben, weil die Versicherungsfrage noch nicht letztlich geklärt ist und weil der Polizeibericht noch nicht abgeschlossen ist. Das kann auch noch etwas dauern. Der Staat Israel hat ja eine Nachrichtensperre über die Polizeiermittlungen verfügt. Aus den Medien wissen wir, dass es Verhaftungen gegeben hat und dass drei Leute in Nazareth beim Gericht, das hier für die Region zuständig ist, inhaftiert worden sind. Das ist allerdings auch noch nicht veröffentlicht worden, wer das ist. Wir wissen also auch nur, dass da etwas passiert ist.
Das Interview führte Tobias Fricke