Münchner Erzbischof Reinhard Marx stellt sein neues Buch vor

"Das Kapital" auf katholisch

Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx hat eine globale soziale Marktwirtschaft gefordert. Bei der Vorstellung seines neuen Buches "Das Kapital. Ein Plädoyer für den Menschen" sagte der katholische Sozialethiker am Mittwoch in München, auf dem Weg zur globalen Gerechtigkeit würden weder der "primitive", ausufernde Kapitalismus helfen noch die Rückbesinnung auf den Marxismus.

Erzbischof Marx (epd)
Erzbischof Marx / ( epd )

Die zentrale Frage des 21. Jahrhunderts werde sein, wie globale Probleme, soziale Ungerechtigkeit und Armut gelöst werden könnten, fügte Marx hinzu. Es gehe darum, globale soziale Rahmenbedingungen zu schaffen. In seinem Buch liefere er aber kein Patentrezept zur Lösung dieser Fragen, sondern wolle vielmehr eine Grundsatzdebatte in der Gesellschaft anstoßen. Es sei Aufgabe der Kirche, für soziale Gerechtigkeit weltweit einzutreten.

Zwar ist der Bischof, der gerne auch mal eine gute Zigarre genießt, Lichtjahre davon entfernt, ein Anhänger des Marxismus zu sein. Aber die marxistische Bewegung habe viele berechtigte Anliegen, lobte Marx vor wenigen Tagen in einem Spiegel-Interview. Und in dem gut 300 Seiten starken Buch im coolen blauen Einband warnt er sinngemäß: Sollte die freie Marktwirtschaft ihre Widersprüche nicht auflösen, könnte der Begründer des Marxismus auf einmal wieder höher im Kurs stehen.

Knapp zwei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch des Kommunismus sieht der Erzbischof den Kapitalismus unter einem Rechtfertigungsdruck wie lange nicht mehr. In der Entwicklung der Weltwirtschaft erkennt der vollbärtige Kirchenmann «beunruhigend viel» von den Themen wieder, über die der «alte» Marx bereits vor rund 150 Jahren schrieb: die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, ungerechter Welthandel und die Konzentration des Kapitals in den Händen weniger Superreicher.

Auch der «schwarze» Marx setzt sich seit langem mit Sozialthemen auseinander; früher als Professor für christliche Gesellschaftslehre und heute in der Bischofskonferenz als Vorsitzender der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen. In beiden Funktionen kommt einiges an Vorträgen, Artikeln und Predigten zum Thema zusammen.
Daher drängte der Pattloch-Verlag Reinhard Marx schon seit einiger Zeit, diese verstreuten Positionen zusammenzustellen. Die Pläne mussten dann mehrfach verschoben werden, als der Autor Ende 2007 auf den Münchner Bischofsstuhl berufen wurde. Auf seiner «to do»-Liste standen andere Dinge weiter oben.

Doch nun, mitten in der Finanzmarktkrise, liegt das Werk vor. Und enthält durchaus aktuelle Bezüge, etwa zu Massenentlassungen und Managergehältern. Die Menschen, so der Erzbischof, verabscheuten kaum etwas so sehr wie Doppelzüngigkeit. Ausdrücklich schließt er sich selbst mit ein, wenn er schreibt: Niemand verstehe es, «wenn jemand heute einen zweistelligen Millionenbetrag einstreicht und morgen die Parole ausgibt, dass alle den Gürtel enger schnallen müssen».

Kein Prediger des Klassenkampfes
Marx predigt allerdings nicht den Klassenkampf, sondern hält «ein Plädoyer für den Menschen». So lautet auch der Untertitel. Vor allem das Menschenbild unterscheidet den Bischof vom Begründer des Marxismus. An ihn, den «lieben Namensvetter», wendet er sich zu Beginn des Buches humorvoll per Brief - obwohl der Philosoph zu Lebzeiten ein Atheist und Kirchengegner gewesen sei. Aber: «Ich glaube, dass Sie nach Ihrem Tod einsehen mussten, dass Sie sich mit Ihrer Behauptung der Nicht-Existenz Gottes geirrt haben, und dass Sie deshalb gegenüber einem Mann der Kirche inzwischen milder gestimmt sind.»

In den folgenden neun Kapiteln bewegt sich der Text häufig nahe am gesprochenen Wort. Er bietet so eine gut lesbare Einführung in die Katholische Soziallehre und zugleich in das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft. Nach einer theoretisch-historischen Grundlegung streift Marx durch Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik, prangert die wachsende Kinderarmut an, würdigt die Tarifautonomie und mahnt Politiker wie Manager zu ethischem Verhalten. Freie Märkte ja, aber bitteschön mit Moral - so lautet, salopp gesagt, eine der zentralen Forderungen des Erzbischofs. Im Buch schreibt er, der Globalisierung der Märkte müsse nun eine Globalisierung der Gerechtigkeit folgen.
Angesichts immer neuer Horrormeldungen rund um Dax, Nikkei-Index und Dow Jones dürfte diese Botschaft auf Interesse stoßen, weit über die Kirche hinaus.

Buchhinweis: Reinhard Marx, «Das Kapital. Ein Plädoyer für den Menschen», 304 Seiten, Pattloch Verlag, München.