Arabisten sehen Verwandschaft zu Kirchenglocken und Schofarblasen

Muezzinruf muss nicht fremd erscheinen

Der Muezzinruf steht nach Einschätzung der Arabisten Neuwirth und Hartwig in enger Verwandtschaft zum Glockengeläut und dem jüdischen Schofarblasen. In einer muslimischen Umgebung nehme er sich "natürlicher" aus als in Deutschland

Halbmond auf der Spitze eines Minarettes der Kölner Zentralmoschee der Ditib / © Oliver Berg (dpa)
Halbmond auf der Spitze eines Minarettes der Kölner Zentralmoschee der Ditib / © Oliver Berg ( dpa )

Hierzulande sei der Islam erst spät heimisch geworden und habe bereits säkulare Verhältnisse vorgefunden. Das schreiben die Wissenschaftler in einem Gastbeitrag für die "Welt am Sonntag". Zugleich sei der öffentliche Gebetsruf "eine Minimalbestätigung der Tatsache, dass Muslime heute in Deutschland ihre Religion ausüben".

Außer dem Bekenntnis zu Mohammed als Religionsstifter enthalte der Ruf "nichts spezifisch Islamisches", erklären die Koranexperten weiter. "Bereits bei einem groben Blick erkennt man aus der christlichen Tradition Vertrautes wieder", etwa das Glaubensbekenntnis. "Das eindrückliche 'Allahu akbar' entspricht im Christentum der ebenso empathisch eingesetzten Trinitätsformel oder auch jüdischerseits der Betonung der einzigartigen und kollektiv-exklusiven Gottesbeziehung: 'Keiner ist wie unser Gott, keiner ist wie unser König, keiner ist wie unser Retter.'"

Muezzinruf seit der Spätantike

Entstanden ist der Muezzinruf laut Neuwirth und Hartwig in der Spätantike. Er stehe "exemplarisch für den sensiblen Umgang der frühislamischen Zeit (omaijdischen Zeit) mit den Nachbarreligionen: Wo sich der Islam über den Nahen Osten verbreitete, ohne eine Glaubensmeinung einer anderen Religionstradition zu bestreiten, wurde an ihre Stelle eine abgemilderte eigene gesetzt."

Die Wissenschaftler äußerten sich aus Anlass des Modellprojekts zu Muezzinrufen in Köln, das derzeit für Debatten sorgt. Kritiker sprechen von einer unzulässigen Bevorzugung einer Minderheit. Der islamische Gebetsruf beinhalte problematische Botschaften und würde von vielen Muslimen gar nicht als notwendig erachtet. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) verteidigte indes das Projekt, das auf zwei Jahre befristet ist.

Wenig Bedarf nach Erlaubnis in Köln?

Dass der Muezzinruf genauso selbstverständlich erklingt wie Kirchenglocken, ist indes unwahrscheinlich. Die Domstadt kündigte an, dass Moscheegemeinden auf Antrag und unter Auflagen ihre Gläubigen an Freitagen zum Gebet rufen können. Bislang habe noch keine Gemeinde einen Antrag gestellt. In Deutschland gibt es bislang einige Dutzend Gemeinden, in denen der Muezzin zum Gebet rufen darf.


Quelle:
KNA