Mugabe wird 95 – und gerät fast schon in Vergessenheit

Die Simbabwer warten noch immer auf den "Neuanfang"

Tote, Tränengas und ein alter Mann in seiner Luxusvilla – in Simbabwe nichts Neues. Doch was wurde aus dem Langzeit-Despoten Robert Mugabe und seiner Vision eines "freien Simbabwe"? Eine Bestandsaufnahme.

Autor/in:
Markus Schönherr
Foto aus früheren Zeiten: Robert Mugabe / © Tsvangirayi Mukwazhi (dpa)
Foto aus früheren Zeiten: Robert Mugabe / © Tsvangirayi Mukwazhi ( dpa )

Viele feierten ihn als Freiheitskämpfer. Noch mehr fürchteten ihn als ruchlosen Diktator. Doch um Simbabwes hassgeliebten Langzeit-Präsidenten Robert Mugabe ist es still geworden, seit ihn seine eigene Armee im November 2017 in den Ruhestand zwang. "Er ist fast vergessen", sagt der simbabwische Politologe Rejoice Ngwenya. Wenn überhaupt, dringen nur wenige Nachrichten über Afrikas vermutlich bekanntesten Ex-Staatschef nach außen. Am Donnerstag (21. Februar 2019) wurde Mugabe 95.

Vier Millionen Dollar für Behandlung in Singapur

Zurückgezogen lebt Mugabe in seiner Villa in einem Nobelvorort der Hauptstadt Harare. Ab und an reist er außer Landes - nicht etwa, um seine Rente spannender zu gestalten, sondern für Arzttermine. Schon am Ende seiner 37-jährigen Amtszeit war Mugabe vom hohen Alter gezeichnet. Berühmt-berüchtigt sind etwa seine Nickerchen während Staatsbesuchen und UN-Treffen. Jetzt verriet sein Nachfolger, Präsident Emmerson Mnangagwa, dass Mugabe wohl an den Rollstuhl gefesselt sei.

Vor kurzem flog Mugabe für einen Klinikaufenthalt nach Singapur. Das sorgte für Aufregung, denn die vier Millionen US-Dollar Behandlungskosten hinterließen in Zeiten der Wirtschaftskrise ein großes Loch in der Staatskasse. "Wir kümmern uns eben um ihn. Er ist der Gründungsvater des freien Simbabwe", verteidigte Mnangagwa die Großzügigkeit des Staates.

Wirbel um Mugabes Ehefrau

Geldsorgen dürften Mugabe bei einer Rente von mehr als 13.000 US-Dollar monatlich kaum plagen. Das dachten sich wohl auch drei seiner Angestellten, als sie den alten Mann im vergangenen Jahr um knapp eine Million Dollar erleichterten. Das Geld stahlen sie Berichten zufolge mit Hilfe einer Verwandten Mugabes aus einem Koffer in dessen Bibliothek.

Wirbel auch um Ehefrau Grace: Gegen die schrullige Ex-First-Lady - wegen ihrer Shopping-Trips als "Gucci-Grace" verrufen - liegt im Nachbarland Südafrika ein Haftbefehl vor. 2017 soll sie in einem Johannesburger Hotel eine Freundin ihrer beiden Söhne verprügelt haben. Dabei wäre der Zugang zum strategisch so wichtigen Nachbarn für die Mugabes nicht unwichtig.

Enorme Inflation: Acht Dollar für Spüli

Trotz Skandalen ist auch Steven Gruzd, Simbabwe-Experte am Südafrikanischen Institut für Internationale Angelegenheiten (SAIIA), überzeugt: "Mugabe ist ein Mann von gestern." Allerdings habe seine "jahrzehntelange Misswirtschaft" den Grundstein für die Krise gelegt, unter der die Simbabwer heute leiden. Die Arbeitslosigkeit schwankt zwischen 80 und 90 Prozent. Zudem fehlt es an US-Dollar, was die Preise zuletzt explodieren ließ: acht Dollar für eine Flasche Spülmittel, zwölf für eine Tüte Cornflakes.

Die offizielle Währung, Schuldscheine, wurde innerhalb weniger Wochen wertlos. "Die Haushaltsausgaben sind meist höher als die Einkünfte, was darauf hinausläuft, dass viele Schulden machen", fand Simbabwes Kirchenrat (ZCC) in einer Umfrage heraus. Etwa die Hälfte der Haushalte lebe von weniger als 250 Dollar pro Monat.

Mugabe-Nachfolger keine Ahnung von Menschenrechten?

Die Hoffnung der Simbabwer war groß, als sich vor eineinhalb Jahren das Militär an die Macht putschte und Mugabes langjähriger Vize Mnangagwa einen "Neuanfang" versprach. Doch nun kam es erneut zu Protesten gegen die Regierung. Im Januar schoss die Armee mit Tränengas und Sturmgewehren auf Demonstranten. Mindestens zwölf starben, mehr als 1.100 wurden verhaftet. "Die Unterdrückung von Demonstranten, die Festnahme von Oppositionspolitikern und die Abschaltung des Internets erwecken den Anschein, dass Mnangagwa keine Ahnung von Menschenrechten hat", so Politologe Ngwenya.

Viel hat sich im postrevolutionären Simbabwe nicht geändert. So fliegt auch Vizepräsident und Ex-General Constantino Chiwenga für Behandlungen nach Südafrika und Indien - während in Simbabwe Ärzte dafür streiken, in US-Dollar bezahlt zu werden. Wie einst Mugabe, versucht auch Mnangagwa die Schuld für die Misere dem Westen zuzuschieben: Dessen Sanktionen gegen die Regierungselite blockierten den Fortschritt in seinem Land, ist der Politiker mit dem Rufnamen "Krokodil" überzeugt.

Politikexperte Ngwenya zufolge verlief der Neuanfang in Simbabwe anders als vermutet. "Die Unzufriedenheit mit Mnangagwas Regierung, die astronomische Preiseskalation, die fehlende Kontrolle über die Armee und das Versäumnis, korrupte Regierungsbeamte zu verhaften - all das trägt zum wachsenden Konsens bei, dass Mugabe das geringere Übel war."


Quelle:
KNA