Muslime beenden Zusammenarbeit mit einzigem Islamprofessor

Zu liberal?

Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) hat am Freitag die Zusammenarbeit mit dem einzigen Inhaber eines Lehrstuhls für islamische Theologie in Deutschland, Muhammad Kalisch, aufgekündigt. Zwischen den Positionen des Münsteraner Wissenschaftlers und den Grundsätzen der islamischen Lehre bestehe eine "erhebliche Diskrepanz", erklärte der Dachverband aus vier Islam-Verbänden am Freitag in Köln.

 (DR)

Kalisch bedauerte die Entscheidung des KRM, aus dem Beirat des von ihm geleiteten Centrums für Religiöse Studien (CRS) auszusteigen. Er werde aber an seiner wissenschaftlichen Arbeit festhalten, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). «Die Verbände vertreten eine Vorstellung von Theologie, die nicht zeitgemäß ist», so Kalisch. Die islamische Theologie stehe dort, wo die christliche im 19. Jahrhundert gestanden habe. «Die Weichen müssen nun in Richtung einer historisch-kritischen Forschung gestellt werden.» Es sei schade, dass sich die Verbände dieser «großen Herausforderung» nicht stellen wollten.

KRM-Sprecher Ali Kizilkaya hatte erklärt, die Verbände könnten muslimischen Studierenden nicht länger empfehlen, sich an Kalischs Lehrstuhl einzuschreiben. Der Wissenschaftler hielt dem entgegen, dass Studierende «zu eigener kritischer Reflexion und geistiger Unabhängigkeit» befähigt werden sollten. Wer ein engeres Forschungverständnis habe, komme ohnehin nicht an seinen Lehrstuhl. Es gehe an Unis weder um die Vermittlung von Glaubensinhalten noch darum, die Ansichten eines Professors als richtig zu erachten. Es gehe um eine «unabhängige, ergebnisoffene Forschung».

Nach Angaben von Kalisch war der Streit im CRS-Beirat zuletzt um den Wunsch des KRM gegangen, eine Unbedenklichkeitserklärung für islamische Hochschultheologen, vergleichbar dem katholischen «Nihil obstat», einzuführen. Der Forscher hielt dies für «nicht erstrebenswert». Er kritisierte auch, dass der KRM sich als Vertretung der meisten Muslime betrachte. «Es wird spannend sein zu sehen, wie die nichtverbandliche Mehrheit Stellung beziehen wird.»

Die Rektorin der Uni Münster, Ursula Nelles, nannte die Entscheidung des Koordinationsrats «bedauerlich». Sie habe aber keine Auswirkung auf die Arbeit des Centrums. Der CRS-Beirat war gegründet worden, um den Austausch der Wissenschaftler mit Vertretern orthodoxer, islamischer und jüdischer Kirchen, Gemeinschaften und Verbände zu fördern. Der Theologe und Volljurist Kalisch, der 1966 in Hamburg geboren wurde und mit 15 Jahren zum Islam konvertierte, hat den ersten deutschen Lehrstuhl zur Ausbildung von islamischen Religionslehrern seit 2004 inne.