Mutmaßlicher NS-Kriegsverbrecher Demjanjuk in Deutschland - Zentralrat der Juden sieht "Wichtiges Signal"

Zurück im Land der Täter

Der mutmaßliche Nazi-Kriegsverbrecher John Demjanjuk ist nach langen juristischen Verzögerungen in Deutschland angekommen. Er landete am Dienstagvormittag um 09.13 Uhr mit einem Lazarettflugzeug aus den USA auf dem Münchner Flughafen. Der staatenlose gebürtige Ukrainer war aus den Vereinigten Staaten abgeschoben worden. Unmittelbar nach der Landung wurde der 89-Jährige von einem deutschen Mediziner untersucht und dann zum Gefängnis München-Stadelheim weiter transportiert.

 (DR)

Dort werde ihm dann im Laufe des Tages auch der Haftbefehl eröffnet. Demjanjuk war nach langem juristischen Tauziehen aus den USA abgeschoben worden.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, als Wachmann der SS im Jahr 1943 im Vernichtungslager Sobibor im von Deutschland besetzten Polen an der Ermordung von mindestens 29 000 Menschen beteiligt gewesen zu sein. Das Amtsgericht München hat deshalb im März 2009 einen Haftbefehl wegen Beihilfe zum vielfachen Mord erlassen. Demjanjuk bestreitet die Vorwürfe. Gegen die Abschiebung hatte er sich zuvor mehrfach juristisch zur Wehr gesetzt und dies mit seinem schlechten Gesundheitszustand begründet.

Das Flugzeug mit dem 89-Jährigen war am Montagabend (Ortszeit) von Burke Lakefront in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio in Richtung Deutschland gestartet. Zuvor war er aus seinem Haus in Seven Hills, einem Vorort von Cleveland, in einem Krankenwagen abgeholt und von Justizbeamten zur Einwanderungsbehörde gebracht worden.

Knobloch fordert raschen Prozessbeginn
Nach der Abschiebung Demjanjuks aus den USA nach München fordert die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, einen raschen Prozessbeginn. «Jetzt gilt es, alles juristisch Mögliche zu unternehmen, um Demjanjuk schnellstmöglich vor Gericht zu stellen. Es geht hier um einen Wettlauf gegen die Zeit», sagte Knobloch am Dienstag in München über den 89-Jährigen.

Der Fall habe einen hohen symbolischen Stellenwert. «Alle noch lebenden NS-Kriegsverbrecher sollen wissen, dass es für sie keine Gnade geben kann, egal in welchem Alter. Sie müssen zur Verantwortung für ihr unmenschliches Handeln gezogen werden. Denn Verbrechen gegen die Menschlichkeit verjähren niemals», betonte die Zentralratspräsidentin.

Sie lobte den Einsatz der Münchner Staatsanwaltschaft, die einen Haftbefehl gegen Demjanjuk wegen Beihilfe zum vielfachen Mord erwirkt hatte. Er soll als Wachmann der SS im Jahr 1943 im Vernichtungslager Sobibor im von Deutschland besetzten Polen an der Ermordung von mindestens 29 000 Menschen beteiligt gewesen sein. Demjanjuk bestreitet dies.

Knobloch versicherte, es gehe ihr «nicht um Rache, sondern um Gerechtigkeit». Zugleich kritisierte sie den heftigen Widerstand Demjanjuks vor US-Gerichten gegen seine Überstellung nach Deutschland. «Gerade für Überlebende der Shoa ist es unerträglich, mit ansehen zu müssen, wie mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher, die keine Gnade für ihre Opfer kannten, Mitleid für sich einfordern oder gar eine Auslieferung mit Folter gleichsetzen. Ein Vergleich, der völlig unzulässig ist.»

Kramer: «Wichtiges Signal»
Der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, sieht in dem juristischen Vorgehen gegen Demjanjuk ein «wichtiges Signal». Kramer sagte am Dienstag der Nachrichtenagentur ddp, es gehe nicht darum, einen alten Mann «zur Schau zu stellen». Vielmehr werde am Fall Demjanjuk deutlich, «dass die Gerechtigkeit einen langen Arm hat».

Kramer fügte hinzu: «Außerdem freue ich mich über eine Diskussion darüber, wie die deutsche Justiz mit den NS-Verbrechen umgegangen ist.» Dies sei «absolut kein Ruhmesblatt». Kramer betonte: «Da gibt es einiges aufzuarbeiten. Es sind Hunderttausende von Mordtaten eigentlich nie verfolgt worden, obwohl man die Täter vor der Nase sitzen hatte.»

Der Generalsekretär des Zentralrates der Juden wandte sich gegen die «Mär», dass nur «Hitler und seine Führungsriege» für den Holocaust verantwortlich waren und es damals einen «Befehlsnotstand» gab. Es sei eine beliebte Entschuldigung von Tätern gewesen, dass sie «tun mussten, was sie gesagt bekamen». Diese «Lüge» werde nun hoffentlich im Zuge des Verfahrens gegen Demjanjuk ans Tageslicht kommen.

Kramer betonte zugleich: «Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass der Mann auch nur einen Tag im Gefängnis verbringen wird.» Vielmehr sei angesichts der bisherigen Rechtsprechung zu erwarten, dass Demjanjuk wegen seines Alters Haftverschonung bekomme oder für verhandlungsunfähig erklärt werde.