Mysteriöser Kriminalfall im Vatikan

 (DR)

"Knochen in der Nuntiatur." Für Italiens Boulevardpresse eine Steilvorlage. Sie verquickte den spektakulären Fund mit einem der mysteriösesten Kriminalfälle im Land. Vor 35 Jahren verschwand in Italien spurlos die damals 15-jährige Emmanuela Orlandi. Wurden jetzt womöglich ihre sterblichen Überreste in der Botschaft des Vatikan in Italien gefunden? Bisherige - begründete - Beweise dafür? Keine.

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin hat Spekulationen über einen Zusammenhang mit Emanuela Orlandi zurückgewiesen. Seitens der Kirchenleitung habe niemand eine solche Verbindung hergestellt, sagte Parolin laut dem bischöflichen italienischen Pressedienst SIR am Mittwochabend in Rom. Der Hinweis an die italienische Staatsanwaltschaft sei aus Gründen der Transparenz erfolgt, so der Kardinal.

Medien hatten nach der Entdeckung menschlicher Knochen in der päpstlichen diplomatischen Vertretung an Emanuela Orlandi erinnert. Das Verschwinden der damals 15-jährigen Tochter eines Vatikanangestellten 1983 gehört zu den bekanntesten ungelösten Kriminalfällen der jüngeren italienischen Geschichte. Einer gängigen Vermutung zufolge wurde Orlandi nach kurzer Geiselhaft ermordet und der Leichnam auf einer Baustelle südlich von Rom einbetoniert.

Die Anzeige des Knochenfundes bei der italienischen Justiz solle Anschuldigungen zuvorkommen, der Vatikan halte etwas verborgen. Es gehe um größtmögliche Offenheit und Transparenz. Zum Fall Orlandi sagte er, die Akte sei seitens des Vatikan geschlossen. Vor einer weiteren Stellungnahme wolle man die gerichtsmedizinische Untersuchung der menschlichen Überreste abwarten. "Wenn es Knochen von vor 200 Jahren sind, ist das eine Sache, wenn sie ein paar Jahre alt sind, eine andere", so der Kardinal.

Laut italienischen Medien, die sich auf Quellen bei Polizei und Justiz berufen, gibt es bislang keine Erkenntnisse zu Alter und Geschlecht. Auch der mutmaßliche Todeszeitraum sei unklar. Die römische Staatsanwaltschaft leitet die Untersuchungen; sie eröffnete ein Verfahren gegen Unbekannt wegen Mordverdachts. Mit genaueren Ergebnissen ist - entgegen ungeduldiger Ankündigungen italienischer Medien - nicht vor Beginn kommender Woche zu rechnen.

Die neuen Verantwortlichen der im Vatikan betroffenen Behörden, Bischof Nunzio Galantino als Chef der Liegenschaftsbehörde APSA und Erzbischof Edgar Pena Parra als neuer Subsitut im Staatssekretariat, sollen Dossiers zu früheren Baumaßnahmen und Bewohnern des Gebäudes angefordert haben. (KNA/8.11.18)