"Die Überlebenden, die jetzt auch alle hochbetagt sind, haben ihr ganzes Leben darauf gewartet, dass die Täter zur Verantwortung gezogen werden", sagte Christoph Heubner, Geschäftsführender Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag).
Kritik an späten Anklagen
Anlass für die Kritik sind zwei aktuelle Anklagen, die derzeit beim Landgericht Itzehoe gegen eine 95-Jährige ehemalige Sekretärin des Konzentrationslagers Stutthof und beim Landgericht Neuruppin gegen einen 100-Jährigen ehemaligen Wachmann des Lagers Sachsenhausen, geprüft werden. Dass dies erst jetzt geschehe, nannte Heubner "ein Versagen und ein Versäumnis der deutschen Justiz, das sich über Jahrzehnte erstreckt hat".
Zu wissen, dass die Täter aus den Lagern zumeist unbehelligt und ungefährdet ihr Leben hätten leben können, "ohne für ihre Untaten Rechenschaft vor einem deutschen Gericht ablegen zu müssen, hat die Überlebenden ihr ganzes Leben belastet", sagte Heubner.
Jeder Mensch im "Mordsystem" sei mitverantwortlich
Mittlerweile habe sich in der deutschen Rechtsprechung die Auffassung durchgesetzt, dass jeder Mensch, der in "dem Mordsystem und Räderwerk" eines deutschen Vernichtungslagers Dienst getan habe, auch mitverantwortlich sei für die "Demütigung, die Qual und die Ermordung der Häftlinge". Zu diesem Räderwerk gehörten auch die angeklagte ehemalige Sekretärin und der angeklagte frühere Wachmann, sagte Heubner.
"Für die Überlebenden wirkt es fast bizarr, dass diese Prozesse in einer Zeit stattfinden, in der neue Nazis schon wieder zu Hass aufrufen und das verherrlichen, was in den Lagern geschehen ist", so Heubner. Mehrere Jahre ermittelten die Staatsanwaltschaften Neuruppin und Itzehoe, bis Ende Januar und Anfang Februar die beiden Anklagen erhoben wurden.