Bätzing: Innerkirchlicher "Kulturwandel" bei Missbrauch nötig

Nach Bistums-Studie betont Bischof Wert der "externen Kontrolle"

Vier Tage nach Veröffentlichung der Missbrauchsstudie im Bistum Limburg haben sich Bischof Bätzing und Projektverantwortliche den Fragen von Journalisten gestellt. Deutlich wurde der Wille zu Veränderungen.

Autor/in:
Norbert Demuth
Bischof Georg Bätzing in einem Gespräch / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Georg Bätzing in einem Gespräch / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Ergebnisse der am Samstag vorgestellten Missbrauchsstudie im Bistum Limburg dürften die Reformdiskussion in der katholischen Kirche in Deutschland beschleunigen. Nach Angaben von Bistumssprecher Stephan Schnelle ist es bundesweit das erste Mal, dass ein Bistum "in dieser Ausführlichkeit" sexuellem Missbrauch in den vergangenen sieben Jahrzehnten nachgegangen sei.

Auslöser war die im Herbst 2018 im Auftrag der Bischofskonferenz veröffentlichte sogenannte MHG-Studie. Auf die Frage, was andere Diözesen nun von Limburg lernen könnten, sagte der Limburger Bischof Georg Bätzing am Mittwoch: "Habt den Mut, auf externe Kontrolle zu setzen."

"Kulturwandel" beim Umgang mit Missbrauch

Bätzing, seit März Vorsitzender der Bischofskonferenz, strebt einen innerkirchlichen "Kulturwandel" beim Umgang mit Missbrauch an. "Ich habe das Projekt vor einem Jahr in Auftrag gegeben, damit wir eine Kultur verändern", sagte er vor Journalisten. Die Bistums-Studie habe gezeigt, dass es "Vertuschung" von Missbrauchsfällen gegeben habe. Zu wenig sei den betroffenen Kindern und Jugendlichen geglaubt worden. Hier sei eine "Umkehrung des Denkens" nötig.

Als Bereiche, in denen es zu Veränderungen kommen müsse, nannte Bätzing vor allem "Klerikalismus, die Rolle der Priester, Gleichberechtigung, Gewaltenteilung und katholische Sexualmoral". Manche der 61 Maßnahmen, die von den Studienautoren in einem 420-seitigen Bericht vorgeschlagen werden, ließen sich "rascher umsetzen als andere", sagte Bätzing. "Wir werden sehr bald auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz ein Gesetz zur Aktenführung haben", kündigte er an. Das solle im Bistum Limburg unmittelbar umgesetzt werden. In der Diözese stehe zudem ein Gleichstellungsgesetz für mehr Einfluss von Frauen in Kirchengremien "kurz vor der Umsetzung".

Ombudsstelle für Betroffene

Rasch soll laut Bätzing eine Ombudsstelle für Betroffene geschaffen werden. Für zunächst drei Jahre werde zudem eine unabhängige diözesane Kommission zur Begleitung der Anti-Missbrauch-Maßnahmen eingerichtet. Um die Schritte zu koordinieren und voranzubringen, werde er einen bischöflichen Beauftragten berufen - das könne auch eine Frau sein.

70 Experten hatten seit September 2019 im Auftrag des Bistums in dem Projekt "Betroffene hören - Missbrauch verhindern" mitgearbeitet. In neun Teilprojekten analysierten sie den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Diözese seit rund 70 Jahren. Zugleich entwickelten sie Vorschläge, wie systemische Faktoren künftig ausgeschlossen und Missbrauchstaten möglichst verhindert werden könnten. Im Bistum Limburg wurden insgesamt 46 aktenkundige Fälle aus der Zeit von 1946 bis heute untersucht, wovon 24 der Beschuldigten bereits verstorben seien. In einem Viertel der Fälle sei schwerer Missbrauch durch einen Priester über einen längeren Zeitraum beschrieben, hieß es.

Über die Studie

Alle Beschuldigten seien zwar namentlich bekannt, sie würden aber aus Gründen des Persönlichkeitsrechts im öffentlichen Bericht nicht genannt. Nur die in herausragenden Funktionen tätigen früheren "Entscheider" - Bischöfe, Generalvikare und Personaldezernenten - werden mit Klarnamen benannt. Darunter sind der frühere Ortsbischof Franz Kamphaus, die früheren Generalvikare Raban Tilmann und Günther Geis sowie der langjährige Personaldezernent des Bistum, Helmut Wanka, der von 1986 bis 2015 amtierte.

Die Wiesbadener Rechtsanwältin Claudia Burgsmüller sagte am Mittwoch als externe Projektbeobachterin, die beteiligten Juristen hätten Zugang zu Originalakten gehabt. Sie selbst habe akribisch darauf geachtet, "dass sich nicht eine Art Zensur einschleicht". Burgsmüller hätte sich mit Blick auf Beschuldigte auch vorstellen können, wenigstens verstorbene Priester mit Namen zu nennen. Dies wäre eine "späte Genugtuung" für die von Missbrauch Betroffenen gewesen.

Dewi Maria Suharjanto, stellvertretende Direktorin der Katholischen Akademie Rabanus Maurus und Projektleiterin, sagte, sie habe ohne Denk- und Sprechverbote arbeiten können. Es sei nicht darum gegangen, Kirche in einem guten Licht dastehen zu lassen. Dies sei vielmehr "ein Transparenz-Projekt", das darlegen sollte, was katholische Geistliche Kindern und Jugendlichen angetan hätten. Und das sei "grausam" gewesen.


Quelle:
KNA