Nach dem Anschlag in Berlin

Besinnung auf das "Fest des Friedens"

Wenige Tage nach dem Anschlag in Berlin läuft die Debatte über Konsequenzen. Zugleich appellieren Politik und Kirchen an die Gesellschaft, sich vor den Weihnachtstagen auf Frieden und Zusammenhalt zu besinnen.

Menschen haben am Breitscheidplatz Kerzen angezündet und Blumen niedergelegt / © Markus Nowak (KNA)
Menschen haben am Breitscheidplatz Kerzen angezündet und Blumen niedergelegt / © Markus Nowak ( KNA )

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte am Donnerstag den Umgang der Bevölkerung mit dem Geschehen. "Ich bin in den letzten Tagen sehr stolz gewesen, wie besonnen die Menschen, die große Zahl der Menschen, auf diese Situation reagiert." Deutschland habe im Kampf gegen den Terror "die Werte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit" auf seiner Seite, betonte die Kanzlerin. Ihre Gedanken seien weiterhin bei den Angehörigen der Opfer und den Verletzten.

Andere Stimmen riefen mit Blick auf die Festtage zu einem friedlichen Miteinander auf. Als Fest der Liebe müsse Weihnachten auch für Nichtchristen und Atheisten "das Fest des Friedens bleiben", bekräftigte Berlins Weihbischof Matthias Heinrich in einem Gastbeitrag für die Boulevardzeitung "B.Z."

"Das Dunkel vertreiben"

Der religionspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Franz Josef Jung (CDU), sagte: "Weihnachten und Hanukkah sind traditionell Feste des Lichts, die das Dunkel vertreiben und Strahlen der Hoffnung und des Friedens aussenden." Diese Botschaft habe angesichts des Anschlags besondere Tragweite.

Bei dem Angriff mit einem Lastwagen am Montagabend waren 12 Menschen getötet und etwa 50 teils schwer verletzt worden. Die Polizei fahndet europaweit nach einem Tunesier, dessen Duldungspapiere den Angaben zufolge im Tat-Fahrzeug gefunden wurden. Der als Gefährder eingestufte Mann wurde im Juni als Asylbewerber in Deutschland abgelehnt und sollte abgeschoben werden. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) bestätigte den dringenden Tatverdacht. Im Fahrerhaus seien Fingerabdrücke des Tunesiers gefunden worden.

Diskussion um Flüchtlingspolitik

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erneuerte vor dem Hintergrund des Anschlags seine Forderung nach Transitzentren. Dort sollten Flüchtlinge so lange festgehalten werden, bis ihre Herkunft und Identität zweifelsfrei geklärt seien. Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach bekräftigte, dass kein Mensch "mit völlig ungeklärter Identität, mit völlig ungeklärter Nationalität" in Deutschland leben dürfe. Er wies Schuldvorwürfe gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel zurück.

Derweil distanzierte sich AfD-Vize Alexander Gauland von Twitter-Äußerungen des AfD-Europaabgeordneten Marcus Pretzell und des baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Stefan Räpple. "Ich halte es für völlig falsch, wie Marcus Pretzell oder offenbar Stefan Räpple zu suggerieren, dass der Bundeskanzlerin eine Blutschuld zuzurechnen sei", sagte Gauland der "Welt" (Freitag).

Das Bündnis "Aufstehen gegen Rassismus" kritisierte, dass die AfD sowie völkische und rassistische Gruppen versuchten, aus dem Terroranschlag Kapital zu schlagen. Es dürfe keinen Generalverdacht gegen Geflüchtete oder Muslime geben. Stattdessen brauche es eine offene Willkommenskultur.

Weihnachtsmarkt vor Gedächtniskirche wieder offen

Der Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz ist am Donnerstag mit einer Andacht und einer Gedenkminute wiedereröffnet worden. "Grauen hat mich überfallen", zitierte die evangelische Pfarrerin Dorothea Strauß aus einem Psalm der Bibel und versuchte, Trost zu spenden. "Wir trauern", sagte sie: "Nach dem Terroranschlag können wir nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen."

Martin Germer ist Pfarrer der evangelischen Gedächtniskirche und kirchlicher Schaustellerbeauftragter in Berlin, betonte, wie schwierig die Lage für die Schausteller sei. "Sie sind zutiefst erschüttert", sagte er. Zugleich müssten sie durch den Anschlag auch große finanzielle Einbußen hinnehmen. Denn das Weihnachtsgeschäft sei für sie der wesentliche Teil des Jahresumsatzes.

Ähnlich äußerte sich die evangelische Berliner Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein. Die Schausteller vom Weihnachtsmarkt seien entsetzt, dass viele Selfies vom Anschlagsort gemacht würden, und wünschten sich mehr Zurückhaltung, sagte sie. Die Ruhe, mit der in Berlin mit dem Anschlag umgegangen werde, beeindrucke sie, sagte die Theologin. Und dass zugleich deutlich zu spüren sei, dass die Menschen "bewegt und berührt sind".


Quelle:
KNA , epd