Nach dem Kirchentag in München geht Margot Käßmann für vier Monate in die USA

"Ohne Angst nach vorn"

Im August geht die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Margot Käßmann für vier Monate nach Atlanta in den Süden der USA. Die im 19. Jahrhundert von Methodisten gegründete Emory-University hat sie für Gastvorträge eingeladen.

 (DR)

Elf Wochen nach ihrem Rücktritt wird Margot Käßmann am 13. Mai erstmals wieder in der Öffentlichkeit auftreten. Beim Ökumenischen Kirchentag in München hält die ehemalige hannoversche Landesbischöfin am Morgen von Christi Himmelfahrt eine Bibelarbeit. Mit insgesamt elf Veranstaltungen ist der Terminkalender der populären Theologin beim großen Christentreffen vom 12. bis 16. Mai mit mehr als 100.000 Dauerteilnehmern gut gefüllt.

Nachdem die 51-Jährige am 24. Februar als Konsequenz aus einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss alle kirchlichen Leitungsämter niederlegte, ist sie nicht mehr öffentlich aufgetreten. Während sie Interview-Wünsche weiter ablehnt, wird sie auch nach dem Kirchentag in Gottesdiensten und Vorträgen zu hören sein.

Gastvorträge in Atlanta
In Atlanta wurde Käßmanns Vorbild, der Bürgerrechtler und Baptisten-Pastor Martin Luther King, geboren und auch beerdigt. Seine Ideen inspirierten die damals 16-Jährige bei einem einjährigen Schüleraustausch zum Theologiestudium. Während ihres Aufenthaltes in Emory wird auch das geistliche Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, mehrere Tage das College besuchen.

Wenn Käßmann im Dezember zurückkehrt, ist in Hannover bereits ihr Nachfolger oder ihre Nachfolgerin im Bischofsamt gewählt worden. Und die EKD-Synode, die im November ebenfalls in Hannover tagt, wird über den neuen Ratsvorsitzenden entschieden haben. Über Käßmanns weitere Pläne ist nichts bekannt.
Kirchentag ist ein Heimspiel
Vor einem Jahr beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Bremen waren rund 8.500 Zuhörer zu ihrer Bibelarbeit in den AWD-Dome geströmt. In München dürften die Besucherzahlen ähnlich hoch sein. Seit ihrem Rücktritt haben ihr mehr als 14.000 Menschen in Mails, Briefen und Karten gute Wünsche geschickt und ihren Respekt bekundet.

Der Kirchentag ist für Käßmann eine Art Heimspiel. Seit ihrer Jugend hat sie kein Christentreffen versäumt. Als Generalsekretärin hat sie die Kirchentage von 1994 bis zu ihrem Amtsantritt 1999 in Hannover mitverantwortet. In München wird sie bis auf die Auftritte als EKD-Ratsvorsitzende alle ursprünglich geplanten Termine wahrnehmen. So predigt sie am 13. Mai in einem Frauengottesdienst in der katholischen Frauenkirche. Im Olympiapark eröffnet sie zwei Tage später in einem Sportgottesdienst ein Fußballfest.
Auf diversen Podien
Käßmann, die ihre Wurzeln in der Ökumene der weltweiten Christenheit hat, über die sie auch promovierte, wirkt außerdem bei einem internationalen Abendgottesdienst mit. Auch auf diversen Podien ist die ehemals mächtigste deutsche Protestantin dabei, etwa bei dem Thema «Frauen und Macht». In einem der drei Hauptvorträge des Kirchentages spricht sie über «Die Kirchen als Zeichen der Hoffnung für die Welt».

Am letzten Abend wird Käßmann dann von einer Bühne am Marienplatz aus den Abendsegen erteilen. Vor einem Jahr am Bremer Weserufer war dies für sie das schönste Kirchentagserlebnis: «Es ist sehr anrührend, wenn so viele Menschen ganz still werden, auf die Glocken hören, Kerzen entzünden und Segen empfangen», sagte sie damals.
Predigten, Lesungen, Vorträge
Nach dem Kirchentag predigt die geschiedene Mutter von vier Töchtern in Gottesdiensten in Hannover und Berlin. Dazu kommen Vorträge, zum Beispiel Anfang Juni auf dem Hessentag in Stadtallendorf, wo sie aufgewachsen ist, oder auf dem Martin-Luther-Forum in Gladbeck.

Außerdem wird die 51-Jährige in Lüneburg und Rotenburg bei Bremen aus ihrem Buch «In der Mitte des Lebens» lesen, das seit Monaten auf der Bestseller-Liste steht. Dem Herder-Verlag zufolge gibt es auch Anfragen aus Italien und Österreich für Leseabende. Die Auflage liegt bei inzwischen bei 217.000 Exemplaren. In dem Buch schreibt Käßmann unter anderem, in der Lebensmitte lasse sich lernen, dem Verlorenen nicht nachzutrauern und das Misslungene anzunehmen: «Ich schaue gern zurück und ohne Angst nach vorn.»