Nach dem Opel-Aus fordert Essens Bischof Anstrengungen für das Ruhrgebiet

"Region mit viel Potential“

Opel-Aus und Milliardenverluste bei Thyssen-Krupp - im domradio.de-Interview spricht Ruhrbischof Overbeck über die "strukturellen Probleme" des Ruhrgebiets und die Rolle der Kirche. Politik und Wirtschaft fordert er zum Handeln auf.

 (DR)

domradio.de: Haben Sie selber schon Menschen kennengelernt, die von dem Auf- und Ab der vergangenen Jahre bei Opel betroffen sind?

Overbeck: Ich bin seit gut drei Jahren Bischof in Essen. Und schon in meinen ersten Amtsmonaten machte ich meinen ersten Betriebsbesuch bei Opel in Bochum. Auch weil es mir ein Anliegen war, darauf hinzuweisen, dass wir für verlässliche Arbeitsplätze und eine verlässliche Unternehmenspolitik sorgen müssen. Seit dieser Zeit habe ich immer wieder von dem Auf und Ab betroffene Menschen kennen gelernt.

domradio.de: Im Ruhrgebiet hat ja auch Nokia 2008 sein Werk geschlossen, das betraf 2300 Mitarbeiter. Einige der Menschen haben bis heute keinen Job – wie betrifft das die Stadt Bochum aber auch das gesamte Ruhrgebiet?

Overbeck: Es ist ein großes strukturelles Problem im Ruhrgebiet, erst recht in Bochum. Wenn Sie die Entwicklung der vergangenen Jahre anschauen, sehen Sie, dass die Verlässlichkeit von Unternehmen, die eine große Anzahl an Arbeitsplätzen zur Verfügung stellen können, geringer wird. Aus verschieden Gründen, meist wirtschaftlicher Art und im Zusammenhang mit der Globalisierung. Die Folgen für die Arbeitnehmer vor Ort, ihre Familien und das Gemeinwohl der Stadt Bochum sind immens - und bedeuten für alle eine große Herausforderung, die es zu schultern gilt. Wie, das wissen aber viele nicht. Deshalb ist es jetzt wichtig, die Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern noch einmal zu betonen und zu sagen, es braucht gute und verträgliche Lösungen für diesen schwierigen Prozess, der jetzt beginnt.

domradio.de: Was kann die Kirche jetzt für die Menschen tun?

Overbeck: Wir als Bistum haben uns immer als ein Sprachrohr der Arbeitnehmer verstanden. Ein Sprachrohr, das sich für eine solidarische Partnerschaft zwischen Arbeitgeber und -nehmer einsetzt. Das war in den Anfängen unseres Bistums so, und das ist heute noch so. Wichtig sind verlässliche Arbeitsplätze, die dafür sorgen, dass die Menschen gerne hier leben. Wer soll in einer Region wie dem Ruhrgebiet auf Dauer Fuß fassen, wer soll hier eine Familie gründen, wer soll ein Haus bauen oder eine Wohnung beziehen, wenn er nicht weiß, ob er hier verlässlich arbeiten kann. Deshalb gilt es, die strukturellen Ursachen kritisch anzuschauen, um von dort aus richtige Entscheidungen zu treffen. Und da ist die Kirche ein wichtiges Sprachrohr, das die Interessen der Menschen öffentlich macht.

domradio.de: Immer wieder wird das Ruhrgebiet von solchen Schicksalsschlägen getroffen. Sollte die Region von der Politik besonders gefördert werden? Braucht es einer Strukturhilfe?

Overbeck: Das Ruhrgebiet ist eine faszinierende Region und hat ganz viele Möglichkeiten, auch viel Entwicklungspotential. Aber innerhalb dieser großen Region gibt es Gebiete mit so schwacher Struktur, dass sie ohne Hilfe nicht existieren können. Da sind generelle politische Entscheidungen angesagt, die dem auf Dauer Abhilfe schaffen müssen. Das ist eine der großen Herausforderungen der Landesregierung, aber auch der großen Unternehmen: hier neu zu investieren.

Das Gespräch führte Christian Schlegel.


Quelle:
DR