Bürgermeister von Großstädten sowie der Brasilianische Städtebund FNP widersprachen laut Medienberichten dieser Entscheidung.
Entscheidung per einstweiliger Verfügung
Richter Nunes Marques, der im Oktober von Präsident Jair Messias Bolsonaro ernannt worden war, hatte mit der Entscheidung die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichts konterkariert. In der vergangenen Woche wurde erstmals ein Durchschnitt von mehr als 3.000 Corona-Toten pro Tag erreicht.
Nunes hatte entschieden, dass Bürgermeister und Gouverneure nicht befugt seien, religiöse Feiern zu untersagen. Zuvor hatte eine Vereinigung evangelikaler Juristen das Oberste Gericht angerufen. Sie hatte angeführt, dass die Kirchenschließungen gegen die Religionsfreiheit und das Laizitätsgebot des Staates verstoßen. Eigentlich sollte der Fall vom Plenum des Gerichts entschieden werden. Er habe die Entscheidung am Samstag aber per einstweiliger Verfügung alleine getroffen und vorgezogen, da aufgrund des Osterfestes Eile geboten war, so Nunes.
Evangelikale Kirchenführer für offene Kirchen
Der Richter steht wie Präsident Bolsonaro dem evangelikalen Lager nahe. Hier hat der wegen seiner chaotischen Corona-Politik unter Druck geratene Bolsonaro seine treuesten Unterstützer. Evangelikale Kirchenführer hatten sich während der Pandemie der Forderung Bolsonaros angeschlossen, die Kirchen offen zu halten.
Bürgermeister und Gouverneure bestehen jedoch darauf, selber je nach Infektionslage entscheiden zu dürfen, ob Kirchen schließen müssen. Sie berufen sich dabei auf eine Entscheidung des Obersten Gerichts vom April vergangenen Jahres, die ihnen diese Befugnis zusprach. Bolsonaro kritisierte die damalige Entscheidung, da nur er sich für befugt hält, über Einschränkungen zu befinden.
Katholische Kirche hält an Online-Gottesdiensten fest
Nach der überraschenden Entscheidung von Samstag öffneten Kirchen landesweit. Während evangelikale Tempel nach Medienberichten einen hohen Andrang verzeichneten, beschränkten viele katholische Kirchen den Zugang. Im Wallfahrtsort Aparecida nahmen lediglich 154 Menschen an einer kurzfristig anberaumten morgendlichen Ostermesse teil. Laut Coronaregeln hätten rund 1.000 Personen teilnehmen können. In der größten Stadt Brasiliens, Sao Paulo, hielt die katholische Kirche an ihrer Empfehlung fest, Messen möglichst online und ohne Gemeinde zu feiern.
Der Bürgermeister der Millionenstadt Belo Horizonte, Alexandre Kalil, kündigte an, vor dem Obersten Gericht gegen die angeordneten Öffnungen zu klagen. Am Samstag hatte Kalil erklärt, der Entscheidung von Richter Nunes nicht zu folgen, woraufhin dieser Kalil eine Frist von 24 Stunden einräumte, seine Weigerung zu rechtfertigen. Der Präsident des Städtebundes, Jonas Donizette, forderte den Präsidenten des Obersten Gerichts, Richter Luiz Fux, auf, zu erklären, welche Entscheidung bindend sei: die des Gerichts vom April 2020 oder die von Richter Nunes von Samstag.