Nach Kritik an Papst gerät Bundeskanzlerin Merkel selber unter Druck - Papst-Bruder enttäuscht

Kompetenzen überschritten?

Nach der Forderung der Bundeskanzlerin nach einer Klarstellung des Papstes zur Holocaust-Affäre hagelt es Kritik von Seiten mehrerer Bischöfe. Der Eichstätter Bischof Hanke sagte, es sei unbegreiflich und empörend, wenn die Kanzlerin vom Papst klare Worte zum Holocaust fordere. Papst Benedikt XVI. habe es in dieser Frage nie an Eindeutigkeit fehlen lassen. Der Regensburger Bischof Müller sagte, der Papst habe mit der Wiederaufnahme des britischen Bischofs in die Kirche keinen Fehler gemacht, er müsse sich daher nicht entschuldigen. Papst Bruder Georg äußerte sich enttäuscht über Merkel.

 (DR)

Bischof Hanke verwies darauf, dass der Papst in mehreren Reden 2008 immer wieder die besondere und bleibende Beziehung der Christen zu den Juden und ihrer Geschichte hervorgehoben habe. Auch habe er früher schon davor gewarnt, die Schoah kleinzureden, da dies einer Verharmlosung des Bösen gleichkäme.

Papst-Bruder Georg Ratzinger zeigt sich verärgert über die anhaltende Kritik an Benedikt XVI. «Er braucht keine Verteidigung von mir. Aber es ärgert mich, wie unvernünftig und schlecht informiert viele Leute sind, die ihn jetzt angreifen», sagte der frühere Regensburger Domkapellmeister der «Leipziger Volkszeitung». Die pauschale Kritik am Papst zeige, wie ungerecht die Gesellschaft sein könne. «Wir sprechen immer von einer informativen Gesellschaft, in Wahrheit ist sie desinformiert.»

Die öffentliche Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Papst habe ihn persönlich enttäuscht, sagte Ratzinger und fügte hinzu: «Ich habe sie immer als vernünftige Frau gesehen. Aber vielleicht steht sie momentan auch unter Druck, dass sie sich jetzt so äußert, wie sie es vernünftigerweise nicht machen würde.»

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Dienstag offene Kritik an Papst Benedikt XVI. geäußert. Das katholische Kirchenoberhaupt und der Vatikan müssten eindeutig klarstellen, dass es im Zusammenhang mit dem Holocaust "keine Leugnung geben kann" und es "natürlich einen positiven Umgang mit dem Judentum insgesamt" geben müsse, sagte Merkel in Berlin. Eine solche Klarstellung sei aus ihrer Sicht «noch nicht ausreichend erfolgt».

Vatikan weist Kritik zurück
Der Vatikan hatte die Kritik der Kanzlerin umgehend zurückgewiesen und seine verurteilende Haltung gegenüber jeder Verharmlosung des Holocaust bekräftigt. Mit Blick die Forderung von Merkel, der Papst solle sich klar zu der Holocaust-Leugnung durch den Traditionalisten-Bischof Richard Williamson positionieren, verwies Vatikan-Sprecher Federico Lombardi am Dienstagabend auf die «unmissverständliche» Ansprache von Benedikt XVI. in seiner jüngsten Generalaudienz.

Der Papst habe mit aller Klarheit seine «volle und nicht zur Diskussion stehende Solidarität» mit den Juden erklärt und sich gegen jede Leugnung oder Relativierung der Judenvernichtung ausgesprochen, so Lombardi. Diese Aussage habe sich «auch auf die Positionen des traditionalistischen Bischofs Richard Williamson und auf alle derartigen Haltungen» bezogen.

Lombardi betonte, aus Sicht des Papstes habe die Aufhebung der Exkommunikation für Williamson «nichts zu tun mit einer Billigung leugnender Haltungen gegenüber dem Holocaust». Diese habe er «klar verurteilt».

Der Leiter des deutschsprachigen Programms von Radio Vatikan, Eberhard von Gemmingen, sagte, Benedikt XVI. habe die Position der Kirche gegenüber dem traditionalistischen Bischof Richard Williamson bereits dargestellt. «Leider ist in den deutschen Medien nicht rübergekommen, dass der Papst die Thesen von Williamson hart zurückgewiesen hat», sagte Gemmingen.

Lob vom Zentralrat - Kritik und Zustimmung aus der Politik
Rückendeckung für ihre ungewohnt offene Stellungnahme gegen das aus Deutschland stammende Kirchenoberhaupt bekam Merkel vom Zentralrat der Juden in Deutschland: «Hochachtung und Anerkennung für die Bundeskanzlerin, dass sie sich in dieser diffizilen Angelegenheit zu Wort meldet», sagte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer der in Essen erscheinenden «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung». Der Zentralrat strebe ein Gespräch mit dem Papst an. «Ich werde meinen Gremien vorschlagen, mit der Bischofskonferenz zusammen ein Gespräch mit dem Papst zu führen. Ich hoffe, dass dieses Signal gehört wird», sagte Kramer.

Die Kirchenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Kerstin Griese, begrüßte Merkels Papst-Kritik als «sehr deutlichen Schritt». Benedikt XVI. habe noch nicht begründet, warum er den ultrakonservativen Bischof Williamson rehabilitiert habe, sagte Griese dem epd in Berlin. Sie betonte, dass die Deutschen eine besondere Verantwortung für die Geschichte hätten. Daher sei es richtig, dass Merkel diese Kritik am Papst geäußert habe.


Die Kirchenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Kerstin Griese, begrüßte Merkels Papst-Kritik als «sehr deutlichen Schritt». Benedikt XVI. habe noch nicht begründet, warum er den ultrakonservativen Bischof Williamson rehabilitiert habe, sagte Griese dem epd. Ihre Unionskollegin Ingrid Fischbach (CDU) sagte im Deutschlandfunk, Merkels Forderung nach klaren Worten des Papstes sei keine Einmischung in innerkirchliche Angelegenheiten: «Es geht auch um das Ansehen unseres Landes.»

Der Grünen-Abgeordnete Josef Winkler sagte: «Die Protestantin Merkel hat den meisten Katholiken aus dem Herzen gesprochen». Der Schaden im Dialog mit dem Judentum, den der Papst durch die Rehabilitierung Williamsons angerichtet habe, gehe ins Unermessliche. Bodo Ramelow von der Linkspartei sagte, die Kritik Merkels könne nur begrüßt werden. Es gehe um die »deutsche Sicht, die wir thematisieren müssen: Holocaust-Leugner darf man nirgends dulden«.

Der Vorsitzende der CSU-Grundsatzkommission, Alois Glück, kritisierte dagegen den Umgang Merkels mit dem Papst. »Ich halte die Äußerungen der Kanzlerin für unglücklich und unangemessen«, sagte er der »Financial Times Deutschland« (Donnerstagsausgabe). Es bestehe »kein Anlass, die Haltung des Papstes mit einem Zweifel zu versehen«. Es sei nicht die Aufgabe politischer Mandatsträger, sich zum Papst zu äußern. Das könne »jeder Einzelne als Christ tun«. Glück ist Mitglied des Zentralkomitees der deutsche Katholiken (ZdK).

Der CSU-Politiker Norbert Geis nahm Benedikt XVI. in Schutz. »Der Papst hat die Sache bereits klargestellt«, sagte Geis, Mitglied im Kuratorium des Forums deutscher Katholiken, der »Stuttgarter Zeitung« (Mittwochsausgabe). Merkel hätte sich vor einer solchen Einlassung genauer informieren müssen.
Der nordrhein-westfälische CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Willy Wimmer, zeigte sich am Mittwoch empört über Merkels Aussagen. Die Kanzlerin habe ohne Not den Papst in eine Ecke gestellt, in die er nicht gehöre, sagte Wimmer der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn. Die Kirchenoberhaupt habe sich klar von jedem Antisemitismus und jeder Holocaust-Leugnung distanziert. «Es gab überhaupt keinen Anlass, warum eine deutsche Bundeskanzlerin sich so äußert.» Er sehe darin ein Ablenkungsmanöver von politischen Schwierigkeiten. Wimmer ist seit 1976 Bundestagsabgeordneter. Er ist Ehrenvorsitzender der CDU Niederrhein.

Die Kirchenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ingrid Fischbach, hat die ungewöhnlich klaren Worte Merkels an den Papst dagegen verteidigt. Bei Merkels Kritik an der Rehabilitierung des Holocaust-Leugners Richard Williamson gehe es nicht darum, sich in innerkirchliche Angelegenheiten einzumischen, sagte Fischbach am Mittwoch im Deutschlandfunk. «Es geht auch um das Ansehen unseres Landes.»

Fischbach erinnerte daran, dass das Leugnen des Holocaust in Deutschland ein Straftatbestand ist. Merkel hatte am Dienstag vom Papst eine Klarstellung gefordert, dass es im Zusammenhang mit dem Holocaust «keine Leugnung geben kann».

Die Kirchenbeauftragte der Union sagte, der Papst solle Bedingungen an die Wiedereingliederung der ultrakonservativen Pius-Bruderschaft knüpfen. So sollte Williamson dazu gebracht werden, auf sein Bischofsamt zu verzichten.