Beim Migrationsgipfel in Paris haben sich mehrere EU-Staaten darauf verständigt, Schutzbedürftigen aus Afrika legale Wege nach Europa zu ermöglichen. Das teilte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron am Montagabend in Paris nach einem Treffen mit sechs weiteren europäischen und afrikanischen Regierungschefs mit.
Flüchtlinge aus Afrika sollen in Zukunft bereits im Tschad und in Niger den Asylprozess für die EU beginnen können. Dort solle dann bereits entschieden werden, wer Asylrecht genießt und legal nach Europa reisen darf. Geleitet werden soll das Vorhaben vom UN-Flüchtlingswerk UNHCR. Dazu wollen Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien enger mit den afrikanischen Transitstaaten Niger, Tschad und Libyen zusammenarbeiten. Die Nordgrenzen der Länder sollen verstärkt gesichert werden.
Kritik an dem Beschluss kam von Hilfswerken und den Grünen. Der Grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold bemängelte, Europa bekämpfe "mit aller Kraft die Ankunft von Flüchtlingen, nicht aber die Fluchtursachen". Bei "Flüchtlingsdeals mit Ländern in Nordafrika" dürfe Europa nicht "die eigenen Werte über Bord werfen". Europa trage durch subventionierte Agrarexporte eine Mitverantwortung für Fluchtursachen. Auch kümmerten sich die europäischen Staatschefs zu wenig um Korruptionsbekämpfung.
Gute Asylchancen notwendig
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, dass nur Menschen mit guten Aussichten auf Asyl in Europa die Chance hätten, an dem sogenannten Neuansiedlungsprogramm teilzunehmen. Es müsse eine "klare Unterscheidung" zwischen Menschen in einer besonderen Notlage und Wirtschaftsflüchtlingen geben, so Merkel. Eine Voraussetzung für das Neuansiedlungsprogramm sei, dass die irreguläre Migration gestoppt werde.
Weiter hob Merkel hervor, dass die Zusammenarbeit zwischen Italien und Libyen bei der Bekämpfung der Schlepper gut funktioniere. Die Zahl der in Italien ankommenden Migranten sei in den vergangenen Monaten stark zurückgegangen. Im Interview der "taz" (Dienstag) fügte Merkel im Hinblick auf Deutschland hinzu, dass Kontingente mit afrikanischen Ländern denkbar seien, "wonach eine bestimmte Anzahl von Menschen hier studieren oder arbeiten kann".
"Menschenrechtlich nicht hinnehmbar"
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl bezeichnete es als "menschenrechtlich nicht hinnehmbar, dass Deutschland gemeinsam mit der EU schutzsuchende Menschen auf Staaten wie Libyen verweisen will". Es könne keine fairen Asylverfahren "in Haftlagern unter menschenunwürdigen Bedingungen" geben. Europa müsse die Verantwortung für den Schutz von Flüchtlingen übernehmen "und darf sie nicht auf Staatsruinen abwälzen, die Flüchtlingen weder Schutz bieten können noch wollen". "Man kooperiert mit Verbrechern. Das muss man klar formulieren", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt am Dienstag dem Bayerischen Rundfunk. Das Auswärtige Amt habe zu Recht darauf hingewiesen, dass es in den Haftlagern Libyens zu Folter, Vergewaltigungen und Hinrichtungen komme.
Pro-Asyl-Geschäftsführer Burkhardt kritisierte im Interview mit dem Radiosender Bayern 2, in Libyen herrschten auch in den Lagern, die sich im Gebiet der libyschen Einheitsregierung befinden, untragbare Zustände. "Es ist unfassbar, dass die Bundeskanzlerin europäische Werte so verrät und der Öffentlichkeit alles schön redet und so tut als gebe es das alles nicht", kritisierte Burkhardt Angela Merkel (CDU).
Politisch Verfolgte in der Zwickmühle
"Wenn Asylbegehren von Flüchtlingen schon in nordafrikanischen Ländern von staatlichen Stellen überprüft werden sollen, gibt es de facto kein Recht mehr auf Asyl für politisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge aus Afrika", erklärte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Dienstag in Göttingen.
Bereits jetzt sei die Überprüfung des Asylanspruchs in Deutschland und anderen europäischen Ländern qualitativ «so schlecht» geworden, dass sich politische Verfolgte aus Afrika das Recht fast nur noch vor Gericht erstreiten könnten. Mit den Beschlüssen von Paris sei das nicht mehr möglich, warnte die GfbV.
Mehr Tote in der Wüste als im Meer
Unionsfraktionschef Volker Kauder betonte, dass die Lage von Flüchtlingen sich auch in Libyen verbessern müsse. Das eigentliche Ziel sei jedoch, dass Flüchtlinge aus südlicheren Ländern gar nicht mehr nach Libyen gingen, sondern Perspektiven in ihren Herkunftsländern erhielten, so Kauder im ZDF-Morgenmagazin. Zuletzt seien mehr Menschen in der afrikanischen Wüste gestorben als im Mittelmeer.
An dem Treffen in Paris hatten neben Macron und Merkel auch Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni, der spanische Regierungschef Mariano Rajoy, der Präsident des Niger, Mahamadou Issoufou, der Präsident des Tschad, Idriss Deby, sowie der Chef der Regierung der Nationalen Einheit in Tripolis, Fayiz al Sarradsch, teilgenommen.