Nach Studenten-Attacke wächst die Kritik an der FU Berlin

Hochschule verweist auf rechtliche Grenzen

Der Angriff auf einen jüdischen Studenten der Freien Universität Berlin schlägt hohe Wellen. Nun fordert der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung harte Konsequenzen, der Zentralrat der Juden dringt gar auf Exmatrikulation.

Gebäude der Freien Universität Berlin (shutterstock)
Gebäude der Freien Universität Berlin / ( shutterstock )

Nach einer Attacke gegen einen jüdischen Studenten in Berlin drang der Zentralrat der Juden in Deutschland am Dienstag auf die Exmatrikulation des mutmaßlichen Täters. "Wer einen jüdischen Kommilitonen krankenhausreif schlägt, weil er Jude ist, der hat an einer deutschen Universität nichts zu suchen", erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster. 

Die Universität selbst verwies auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes auf die beschränkten Möglichkeiten nach dem Berliner Hochschulgesetz.

Bei dem Opfer, das am Freitagabend nach Schlägen und Tritten auf der Berliner Brunnenstraße mit Frakturen im Gesicht ins Krankenhaus eingeliefert wurde, soll es sich um den Bruder des Comedians Shahak Shapira handeln. Er sei ein Enkel von Amitzur Shapira, einem israelischen Trainer, der 1972 bei den Olympischen Spielen in München von palästinensischen Terroristen ermordet wurde, hieß es.

"Ausflüchte der Hochschulleitung müssen ein Ende haben"

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. / © Joerg Carstensen (dpa)
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. / © Joerg Carstensen ( dpa )

Zentralratspräsident Schuster nannte eine Exmatrikulation des mutmaßlichen Täters alternativlos.

Laut Staatsanwaltschaft soll es sich um einen Mann deutscher Staatsangehörigkeit handeln, der bereits an einer pro-palästinensischen Hörsaalbesetzung im Dezember an der FU beteiligt gewesen sein soll. In sozialen Netzwerken war auch von einem "arabischen Studenten" die Rede.

Insgesamt mehrten sich kritische Stimmen zur Atmosphäre für jüdische Studentinnen und Studenten an der FU. Zentralratspräsident Schuster mahnte, die Hochschule trage Verantwortung dafür, dass es in ihren Reihen keinen Platz für Extremismus und Antisemitismus gibt: "Die Beschwichtigungstaktik und die Ausflüchte der Hochschulleitung müssen endlich ein Ende haben."

"Exmatrikulation des Täters aus Ordnungsgründen nicht möglich"

Die FU Berlin erklärte auf epd-Anfrage, das sogenannte Ordnungsrecht der Hochschulen, das als weitreichendste Maßnahme auch die Exmatrikulation ermöglichte, sei durch die Änderung des Berliner Hochschulgesetzes im Jahr 2021 abgeschafft worden. 

Weiter hieß es: "Somit ist eine Exmatrikulation von Studierenden aus Ordnungsgründen nicht möglich." Möglich sei "zur Sicherstellung eines geordneten Hochschulbetriebs" indes etwa ein Hausverbot von längstens drei Monaten. Die Polizei sei von der Hochschule um Informationen zur Identität des mutmaßlichen Täters gebeten worden.

Günter Matthias Ziegler, Professor und Präsident der Freien Universität Berlin / © Jörg Carstensen (dpa)
Günter Matthias Ziegler, Professor und Präsident der Freien Universität Berlin / © Jörg Carstensen ( dpa )

FU-Präsident Günter Ziegler hatte sich am Montag "entsetzt über den brutalen, mutmaßlich antisemitisch motivierten Angriff" eines 23-Jährigen auf seinen 30-jährigen Mitstudenten geäußert und mögliche juristische Schritte angekündigt. 
 
Zuvor hatten der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, und die Jüdische Studierendenunion Deutschland Kritik an der FU-Leitung geübt. 

Klein: Antisemitismusbeauftragte an allen Hochschulen

Klein forderte von deutschen Hochschulen ein stärkeres Engagement gegen Judenfeindlichkeit. Im ZDF-Morgenmagazin warf er der Leitung der Freien Universität in Berlin am Mittwoch vor, nicht ausreichend gegen Hass und Hetze vorgegangen zu sein.

Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus am 27.06.2023 in Berlin / © Bernd von Jutrczenka/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (dpa)
Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus am 27.06.2023 in Berlin / © Bernd von Jutrczenka/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ ( dpa )

 Hochschulen müssten mit den Mitteln des Hausrechts und des Ordnungsrechts einschreiten, wenn jüdische Studierende und Hochschullehrer bedroht oder bei propalästinensischen Kundgebungen Hass gegen Israel verbreitet würden. Klein forderte, an allen Hochschulen müssten Antisemitismusbeauftragte ernannt werden. 

Mit Blick auf muslimische Migranten müsse der Staat von Anfang an klar machen, dass Hetze gegen Juden und Antisemitismus in Deutschland nicht geduldet würden.

Klein lobte die Haltung führender deutscher Politiker, die nach dem Terror-Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober klar ihre Solidarität mit Israel bekundet hätten. 

Bei der deutschen Bevölkerung vermisse er aber eine breite Solidarisierung. Demonstrationen, die sich auf die Seite Israels gestellt hätten, hätten eine eher geringe Beteiligung gehabt. 

Juden in Deutschland

Jüdisches Leben auf dem Gebiet der Bundesrepublik gibt es seit mehr als 1.700 Jahren. Der älteste schriftliche Nachweis stammt aus dem Jahr 321 aus Köln. Vor der nationalsozialistischen Machtergreifung lebten 1933 auf dem Gebiet des Deutschen Reiches rund 570.000 Juden. In der Folge des Holocaust wurden etwa 180.000 von ihnen ermordet, sehr viele flohen. 1950 gab es nur noch etwa 15.000 Juden in Deutschland. Eine Zukunft jüdischen Lebens im Land der Täter schien unwahrscheinlich und war innerjüdisch umstritten.

Ein jüdischer Mann mit einer Kippa / © Nelson Antoine (shutterstock)
Ein jüdischer Mann mit einer Kippa / © Nelson Antoine ( shutterstock )
Quelle:
epd , KNA