Die lateinische Inschrift ist eine Warnung vor dem Herdentrieb. "Et si omnes ego non" steht auf den Balken des 1648 erbauten Fachwerkhauses im Schatten von Burg Kreuzberg im Ahrtal. "Und wenn alle, dann ich nicht." Was in Generationen zum Familienspruch der Boeselagers geworden ist, hat im Leben des 2008 gestorbenen Philipp Freiherr von Boeselager eine beklemmende Aktualität gehabt. Zusammen mit seinem Bruder Georg war der damalige Major unmittelbar in die Pläne des Stauffenberg-Attentats auf Adolf Hitler einbezogen. Er besorgte den Sprengstoff, mit dem Hitler beseitigt werden sollte.
Eine Zeit voller Ängste
Viele der Verschwörer wurden hingerichtet. Philipp von Boeselager überlebte. Vor 100 Jahren, am 6. September 1917, wurde der Spross aus rheinisch-katholischem Adel als fünftes von zehn Kindern auf der Wasserburg Heimerzheim bei Bonn geboren. "Es war eine Zeit voller persönlicher Ängste, in der man täglich einsamer wurde", erinnerte er sich an die Zeit nach dem Attentat. Der Verlust von Freunden aus dem Widerstandskreis, die Angst um die Familie, die Sorge, entdeckt zu werden, und die Frage, warum ausgerechnet man selbst überlebt hatte - das alles nagte am Selbstbewusstsein. "Die Überlebenden einer Tragödie sind niemals deren Helden", sagte von Boeselager selbstkritisch.
"Zurück in die alten Löcher"
Sein Nachdenken über das Verbrecherische des Naziregimes begann nach seinen eigenen Worten Anfang 1942: Als Ordonnanzoffizier von Generalfeldmarschall von Kluge erfuhr der Freiherr, dass "Juden und Zigeuner" im Osten systematisch umgebracht wurden. Begegnungen mit hohen SS- und Naziführern überzeugten ihn davon, wie gewissenlos die Partei handelte. 1942 schlossen sich die beiden Brüder Boeselager einer Widerstandsgruppe um Generalmajor Henning von Tresckow an. Ein erstes, für den 13. März 1943 geplantes Pistolen-Attentat Boeselagers wurde im letzten Moment gestoppt, weil Hitler ohne SS-Führer Heinrich Himmler die Heeresgruppe Mitte besuchte. Beide sollten gleichzeitig getötet werden. Auch am 20. Juli 1944 hatte Hitler unglaubliches Glück. Boeselager, der mit seiner Schwadron einen Gewaltritt hinter sich hatte, um in Berlin den Staatsstreich abzusichern, kehrte unbemerkt wieder an die Ostfront zurück. Ein Mitverschwörer hatte ihm telegrafiert: "Zurück in die alten Löcher."
Obrigkeit in Frage gestellt
"Vom obrigkeitstreuen Spross des rheinischen grundbesitzenden Adels zum Sprengstoffschmuggler und Hochverräter" - so hat ein Historiker den Weg Boeselagers charakterisiert. Das Wörtchen "obrigkeitstreu" wollte der Freiherr aber gestrichen sehen. "Als rheinischer Katholik war man alles andere als Preußen-hörig. Deutsch-nationales Denken allerdings war während der Weimarer Republik nicht verpönt am linken Rheinufer. "Dass der Staat als solcher unrecht und unmoralisch handeln könnte, dieser Gedanke passte damals einfach nicht in unsere Köpfe", sagte Boeselager einmal im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Dass der Freiherr trotzdem schließlich zum Widerstand bereit war, führte er nicht zuletzt auf seine Erziehung im von Jesuiten geleiteten Gymnasium in Bad Godesberg zurück: "Die haben uns beigebracht, viele Fragezeichen zu machen."
Studium in Köln und Familienbetrieb an der Ahr
Nach dem Zweiten Weltkrieg studierte von Boeselager Jura und Volkswirtschaft in Köln. Jahrzehntelang leitete er den Forstbetrieb der Familie an der Ahr. Zugleich engagierte er sich in Gremien der Forstwirtschaft. So war er von 1968 bis 1988 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW). Der überzeugte Katholik gehörte auch zu den Gründern des Malteser Hilfsdienstes. In den 1950er Jahren gehörte der Freiherr zum Personalgutachterausschuss, der über die Einsetzung von ehemaligen Wehrmachtoffizieren in die neue Bundeswehr entschied. "Die Bundeswehr steht in der Tradition des Widerstandes gegen Hitler", sagte 2008 der damalige Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) bei der Beerdigung des Freiherrn. Auch von Boeselager sei bereit gewesen, mit der Diktatur zu brechen, um Recht und Freiheit wieder herzustellen.
Dem Gewissen gefolgt
Als der Bundestag 1993 den "Abtreibungskompromiss" beschloss, trat von Boeselager aus der CDU aus - wie er schrieb, "in Konsequenz der zentralen Ziele - wie des Rechts auf Leben -, für deren Wiederherstellung die Männer des 20. Juli hingerichtet worden sind".