Netzwerk Afrika zur Wahl in Ruanda

"Keine echte Opposition"

Rund fünf Millionen Ruander waren heute aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu wählen. Beobachter gehen davon aus, dass der amtierende Präsident Paul Kagame wiedergewählt werden wird. Im Interview mit domradio.de: Pater Wolfgang Schonecke, Leiter des Berliner Büros Netzwerk Afrika.

 (DR)

domradio.de: Pater Schonecke, die Wiederwahl von Kagame gilt als relativ klar, ist aber nicht unumstritten Warum ist das so?
Pater Schonecke: Weil Ruanda eigentlich nicht als eine echte Demokratie bezeichnet werden kann. Man muss wissen, das es keine echte politische Opposition gibt. Die RPF ist mehr oder weniger eine Einheitspartei und diese hohen Zustimmungsraten erinnern einen Deutschen natürlich ein wenig an die Zeiten der DDR, wo es wie in Ruanda Blockparteien gab, d.h. Parteien, die eigentlich Kreationen der Regierungspartei sind und nur einen Schein von Demokratie erzeugen sollen. Es gibt auch wirkliche Oppositionsparteien, eine grüne und eine sozialistische Partei, aber die sind erst einmal alle mit bürokratischen Mitteln daran gehindert worden, sich registrieren zu lassen. Und die meisten Führer dieser Parteien sitzen im Gefängnis, einer ist sogar ermordet worden. Unter diesen Umständen ist es schwierig, von einer echten Demokratie zu sprechen.

domradio.de: Welche Möglichkeit hat die Opposition denn überhaupt, die Stimme gegen den amtierenden Präsidenten Kagame zu erheben?
Schonecke: Eigentlich kaum eine. Die Regierungspartei kontrolliert natürlich den gesamten Sicherheits- und Staatsapparat und auch das Radio. Die Journalisten, die unabhängig berichten konnten, sind z.T. verhaftet worden. Zwei der populärsten Zeitungen wurden mit einem 6-monatigen Druckverbot belegt, damit sie während des Wahlkampfs nicht aktiv werden können. Außerdem hatten die wirklichen Oppositionsparteien, wie gesagt, nicht einmal die Chance, sich registrieren zu lassen. Bei einer Demonstration gegen diese Zustände wurden 200-300 Leute verhaftet, z.T. auch geschlagen und im Gefängnis gefoltert. Die Chancen einer Opposition sind praktisch gleich null.

domradio.de: Schauen wir noch einmal 16 Jahre zurück. Welche Rolle spielte Kagame beim Völkermord 1994?
Schonecke: Bevor man von dem Völkermord spricht, muss man erst einmal sehen, dass Kagame und die RPF den Bürgerkrieg in Ruanda angezettelt haben, indem sie damals mit einer Armee von mehreren Tausend ugandischen Soldaten Ruanda angriffen und diesen Krieg begannen. Kagame hat diesen Krieg, der zu diesem Völkermord ausgeartet war, dann 4 Jahre später mit Hilfe der Amerikaner militärisch stoppen können. Die Folgen des Völkermords sind heute immer noch sehr spürbar. Ich war selbst kurz nach dem Völkermord mit einer Delegation von einem Dutzend ostafrikanischer Bischöfe in Ruanda und habe es persönlich erlebt, das sind Bilder, die man nie vergessen wird. Ich war damals in der Kathedrale der Diözese Nyundo im Nordosten Ruandas, in dieser Kathedrale wurden damals 800 Menschen brutalst erfordert und in die Toiletten hinter der Kathedrale geworfen. Es gibt in Ruanda kaum eine Familie, die nicht unter dem Völkermord gelitten hat und eben auch - das darf man nicht vergessen - unter den großen Massakern, die nach dem Völkermord an den Hutu begangen worden sind. Diese Traumata lassen sich natürlich nicht innerhalb einer Generation heilen. Deshalb muss man an Ruanda andere Maßstäbe anlegen als an andere Länder.

domradio.de: Wie wirken sich denn die Ereignisse von 1994 heute auf die Wahlen und die Wähler aus?
Schonecke: Diese 4 Jahre sehr brutalen Bürgerkriegs plus Völkermord haben natürlich in der Bevölkerung einen Horror vor einer neuen Gewaltwelle geweckt, die in Ruanda immer wieder möglich ist. Die größte Sehnsucht und höchste Priorität aller Menschen ist, dass es keinen Krieg und keine Gewalt mehr gibt. Wenn nun sehr viele Menschen für Kagame wählen sollten, dann aus dem Grund, weil er ein Garant für Sicherheit ist. Im Augenblick ist Ruanda eines der sichersten Länder - Sie können in Kigali als Frau um 2 Uhr nachts herumlaufen, ohne dass Ihnen etwas passieren würde. Das kann man von den meisten anderen afrikanischen Großstädten nicht sagen. Paul Kagame ist in den Augen der meisten Menschen der Grant dieser Sicherheit, auch wenn er keine demokratischen Spielregeln zulässt.

domradio.de: Wie - glauben Sie - geht es denn nach den Wahlen weiter?
Schonecke: Es wird weitergehen wie bisher. Im Augenblick gibt es allerdings innerhalb der RPF große Auseinandersetzungen. Mehrere der engsten Mitarbeiter Kagames sind geflohen. Auch diese innere Opposition wird von Kagame ganz brutal verfolgt, auf einen seiner Kritiker, der nach Südafrika floh, wurde ein Mordanschlag verübt. Es ist nicht anzunehmen, dass sich das System nach der Wahl wirklich ändern wird. Man muss allerdings auch sagen, dass das Ausland inklusive der deutschen Regierung Ruanda massivst unterstützt, weil Kagame und seine Regierung eine sehr weitsichtige und kluge, intelligente Entwicklungspolitik betreiben, die auch große Erfolge zeigt. Ich war neulich bei einem Podiumsgespräch, bei dem es um die Wahl Ruandas ging. Da drückte ein Teilnehmer sehr gut aus, was man in Ruanda erwartet: Was wir uns wünschen, ist nicht eine neue Regierung, sondern dass Paul Kagame ein ganz klein wenig Raum an Meinungsfreiheit und persönlicher Freiheit zulässt.