Neudeck fordert tatsächliche Hilfe für afrikanische Flüchtlinge

Europas begrenzter Horizont

Die Flüchtlingswelle im Mittelmeer schwillt an. Tausende Menschen erreichten in dieser Woche auf lebensgefährlichem Weg Europa. Zu wenige, meint Rupert Neudeck. Ganze Dörfer steckten Hoffnung und Geld in die jungen Leute.

Dürfen nicht in der EU bleiben (dpa)
Dürfen nicht in der EU bleiben / ( dpa )

Rund 4000 Migranten sollen nach Angaben der italienischen Regierung innerhalb von 48 Stunden italienische Mittelmeerinseln erreicht haben. Doch diese Zahl überrascht Rupert Neudeck, den Chef der Friedensorganisation "Grünhelme" nicht. "Ich weiß, dass es noch viel mehr gibt, die sich auf den Weg machen, um ein besseres Leben und eine Berufsausbildung zu bekommen."

"In dem jungen Mann steckt die Hoffnung des Dorfs"

Die Bootsflüchtlinge unterteilten sich laut Neudeck in zwei Gruppen, zum einen seien es Flüchtlinge aus Kriegsgebieten wie in Syrien und zum anderen junge Afrikaner, "die besten der besten aus ihrer Gesellschaft". Letztere bekämen von ihrer Großfamilie oder von ihrem Dorf eine Art Kredit über rund 1500 US-Dollar – "so viel wie sie noch nie im Leben gesehen haben". Mit dem zusammengebrachten Geld sollen die jungen Menschen, meist sind es Männer, die Schengen-Staaten erreichen, Arbeit finden und mit dem Lohn die Daheimgebliebenen ernähren. "In dem jungen Mann steckt die ganze Hoffnung des Dorfs", sagt Neudeck. Neudeck hatte 1979 die Hilfsorganisation "Cap Anamur" mitgegründet. Damals rettete die Organisation tausende vietnamesische Flüchtlinge (sogenannte "boat people“) im Chinesischen Meer mit einem Schiff, der Cap Anamur.

Neudeck fordert, die jungen Flüchtlinge aus Afrika in den EU-Staaten aufzunehmen: "Diese jungen Menschen müssen wir akzeptieren, wir müssen sie hochschätzen, denn sie wollen eigentlich nur bei uns etwas für sich und ihre Angehörigen in dem afrikanischen Land erreichen."

Neudeck: Gezielte wirtschaftliche Zusammenarbeit

"Wir haben noch gar nicht kapiert, was das bedeutet für uns in Europa", urteilt Neudeck auch mit Blick auf die bisherige Entwicklungshilfe. Die deutsche Regierung sollte stärker als bisher mit afrikanischen Regierungen vor Ort koopieren und in einzelnen Ländern, wie zum Beispiel Tunesien, die wirtschaftliche Zusammenarbeit stärken. "Dann müssten diese Leute nicht auf diesem furchtbar gefährlichen Weg mit Schleppern in völlig seeuntüchtigen Booten heraus."

Von auf viele Länder verteilte Entwicklungshilfen hält Neudeck wenig: "Damit wirft man eigentlich nur Geld ab über diesen Ländern und macht nichts Richtiges."

Neudeck erinnert an die mahnenden Worte von Papst Franziskus während seines Besuchs auf der italienischen Insel Lampedusa. Dieser hatte mit Blick auf die vielen Flüchtlingstoten im Mittelmeer eine "Globalisierung der Gleichgültigkeit" beklagt. Christen seien aufgefordert, sich dieser Gleichgültigkeit entgegen zu stellen, mahnt Neudeck, der Katholik ist.

"Die es bis hierher legal, halblegal geschafft haben, denen müssen wir gute Freunde werden, dass sie Deutsch lernen, in einen Beruf kommen, sich selbst entwickeln und möglicherweise in ihr Heimatland wieder zurückkehren."


Rupert Neudeck (dpa)
Rupert Neudeck / ( dpa )
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DR