Alois Glück ist ein Pflichtmensch. Vielleicht wird man das zwangsläufig, wenn man wie er als kleiner Junge den Vater im Krieg verloren hat und früh Verantwortung übertragen bekam: Glück wurde mit vier Jahren Halbwaise und musste schon als Kind auf dem elterlichen Hof in Hörzing im Landkreis Traunstein kräftig anpacken.
Auch später hat er sich seine Aufgaben selten selbst ausgesucht, sie kamen vielmehr auf ihn zu; und zwar so, dass er nicht nein sagen konnte. Am 24. Januar vollendet der Oberbayer sein 80. Lebensjahr.
Glück sollte Gräben zwischen Umweltschützern und Bauern überwinden
Ruhestand ist für so einen "homo politicus" ein dehnbarer Begriff. Aber dass ihn seine eigene Partei noch einmal in Anspruch nehmen würde, damit konnte er nach den Erfahrungen seit 2015 nicht unbedingt rechnen. Glück zählte nicht zu den engeren Ratgebern eines Horst Seehofer, mit Markus Söder verband ihn noch weniger. Im CSU-internen Machtkampf war der langjährige einstige Landtagsfraktionschef und -präsident anders als früher kein Faktor mehr. Und wer ihn in der Zeit traf, als der Streit um die Flüchtlingspolitik das Verhältnis zwischen den Unionsparteien zu zerrütten drohte, erlebte einen Mann, dem seine eigene Partei zutiefst fremd geworden war.
Doch dann rief irgendwann im vergangenen Jahr Markus Söder an - und Glück ließ sich nicht lange bitten. Was war passiert? Ein von der ÖDP unter dem plakativen Titel "Rettet die Bienen!" clever angezetteltes Volksbegehren zum Artenschutz in Bayern avancierte zur erfolgreichsten Initiative in der Geschichte dieses plebiszitären Instruments. Ein Weiterregieren gegen diese massive Willensbekundung erschien schwer möglich. Mit sicherem Instinkt schaltete Söder von Konfrontation auf Versöhnung um. Und wen konnte er für dieses Werk besser gebrauchen als den Mann, der sich als Parlamentarier den Ehrentitel "wandelnder Vermittlungsausschuss" erworben hatte?
Nach dem Vorbild von Heiner Geißlers Schlichtung des Streits um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 sollte der in vielen politischen Schlachten erprobte Haudegen Glück dabei helfen, die Gräben zwischen Umweltschützern und Bauern zu überwinden: als Moderator eines Runden Tisches. Auf allen Seiten wurde die Personalie umgehend begrüßt, war der Oberbayer doch als gelernter Landwirt sowie als einer der ersten Umweltpolitiker seiner Partei für diese Aufgabe doppelt prädestiniert. "Ich habe noch nie so viel telefoniert", sagt er im Rückblick auf 2019. In veränderter Besetzung wird der Runde Tisch ihn auch 2020 in Beschlag nehmen.
Rückzug aus dem Amt beim Zentralkomitee deutscher Katholiken
Frühzeitig hat Glück in diesem Gesprächsprozess darauf aufmerksam gemacht, dass Artenschutz nicht allein den Landwirten aufgebürdet werden könne. Auch die Kommunen und andere Besitzer großer Flächen seien gefordert, etwa die katholische Kirche in Bayern, die ihre verpachteten Grundstücke von einer zentralen Stelle aus in Regensburg verwalten lässt.
Nach seinem Rückzug aus dem Amt des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) vor nunmehr fünf Jahren hatte Glück eigentlich auf etwas mehr Ruhe gehofft, auf mehr Zeit für Frau, Kinder und Enkel. Sein Engagement bei der bayerischen Bergwacht etwa hatte er reduziert. Auch diese Rettungsorganisation verdankt ihm einiges, etwa ein europaweit gefragtes modernes Trainingszentrum in Bad Tölz. In der Halle lässt sich unter realitätsnahen Bedingungen die Bergung aus Seilbahnkabinen und mit Helikopterunterstützung üben.
Seit einigen Monaten hat Glück nun wieder ein eigenes Büro in München. Im Prinz-Carl-Palais unweit der Staatskanzlei führt er geduldig die Menschen zusammen, bis sie unter seiner bedächtigen Anleitung miteinander statt übereinander reden. Sich auf andere Welten einlassen können, diese Fähigkeit hat sich Glück auch in seiner eigenen Familie erworben. Von niemand anderem habe er so viel über das Leben gelernt wie von seinem schwerstbehinderten Sohn, sagte er einmal bei einem Gesprächsabend in einer Münchner Kirchengemeinde.
Von Christoph Renzikowski