Wie Frauen in der katholischen Kirche auf dem Vormarsch sind

"Neue Frauen braucht der Papst"

Frauen haben in der katholischen Kirche gar nichts zu melden, so lautet eine gängige Behauptung. "Weit gefehlt", hält der Vatikan-Experte Ulrich Nersinger dagegen. Gerade im Pontifikat von Papst Franziskus tue sich eine ganze Menge.

Papst Franziskus mit Ordensfrauen / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus mit Ordensfrauen / © Paul Haring ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie haben ein neues Buch geschrieben, das den Titel "Der Papst und die Frauen" trägt. Wollen Sie denn dem üblichen Klischee, Frauen hätten in der Kirche nichts zu melden, mit diesem Buch etwas entgegensetzen? Oder was war der Antrieb, dieses Buch zu schreiben?

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Autor): Das war schon der Antrieb. Denn das Klischee stimmt absolut nicht. Das fängt schon in der Apostelzeit an, also auch die frühen Christinnen in Rom waren schon sehr präsent und auch sehr aktiv.

DOMRADIO.DE: Ich habe Ihr Buch in der Hand. Es ist ein dünnes Buch...

Nersinger: Wenn man alles auffüllt, könnte man eine ganze Enzyklopädie fertig stellen. Es gibt so viele Beispiele. Aber es soll eine kleine Einführung sein. Es soll aufzeigen, dass es sich durchaus lohnt, sich mal mit diesem Thema zu beschäftigen, weil es ja doch auch ein wichtiges Thema in unserer heutigen Zeit ist.

DOMRADIO.DE: Sie haben 24 Episoden beschrieben, die interessante Frauengestalten im Vatikan skizzieren. Was sind denn das für Frauen?

Nersinger: Ganz unterschiedliche. Das sind heilige, heiligmäßige, normale und ganz und gar nicht heilige Frauen, die mit den Päpsten in Kontakt treten und auch eine sehr wichtige Rolle spielen. Das ganze Spektrum, das man auch in der säkularen Welt erlebt, ist auch im Vatikan da.

DOMRADIO.DE: Was für eine Frau hatte denn zum Beispiel mal viel Einfluss auf den Papst?

Nersinger: Denken wir an die Zeit, als die Päpste nach Avignon ins Exil gingen. Dass die Päpste fast 70 Jahre später aus Avignon zurückgekehrt sind, das ist auch dem Einfluss der Mystikerin und Kirchenlehrerin Katharina von Siena zu verdanken. Durch ihr Zureden verlegte Gregor XI. den Papstsitz wieder nach Rom. Aber wir haben auch Frauen, die in der jüngeren Zeit sehr großen Einfluss ausgeübt haben. Denken wir an die Haushälterin und Sekretärin von Pius XII., Pascalina Lehnert. Das war eine sehr mächtige Frau, von der man dann auch im Vatikan hinter vorgehaltener Hand über die "mächtige Jungfrau" spottete. Damit war nicht die Muttergottes gemeint, sondern die Ordensschwester.

DOMRADIO.DE: Würden Sie denn sagen, die Kirchengeschichte wäre ohne diese Frauen anders verlaufen?

Nersinger: Ich denke schon. Ich denke, wir haben wirklich viele Beispiele, wo wir sehen, dass Frauen Einfluss ausgeübt haben, die wirklich Spuren in der Kirche hinterlassen haben.

DOMRADIO.DE: Das sind aber nicht alles Geschichten von Frauen, die irgendwie Einfluss hatten und die so einen guten Ausgang hatten. Es gibt ja auch die Geschichte einer Frau, die durch ihr Verschwinden berühmt geworden ist - gemeint ist die 15-jährige Emanuela Orlandi, die 1983 spurlos verschwunden ist und bis heute ist dieser Fall nicht wirklich aufgeklärt. Was steckt dahinter?

Nersinger: Dieser Fall geht zurück in die Zeit, in der Italien noch sehr von Entführungen, von Attentaten und von Morden geprägt war. Das Besondere war halt, dass es eine vatikanische Staatsbürgerin traf; ein junges Mädchen, deren Vater in vatikanischen Diensten stand. Das machte das Ganze natürlich noch interessanter und noch verwickelter, weil keiner genau weiß, was eigentlich gelaufen ist. Wir haben also die unglaublichsten Verschwörungstheorien. Ein Reporter hat mal gesagt: Das gehört zu diesen Maledetti, diese Verdammten wortwörtlich übersetzt - Sachangelegenheiten, die wir in Italien in dieser Zeit gehabt haben. Wir warten immer noch auf eine Lösung, ob sie jemals kommt, weiß man nicht.

DOMRADIO.DE: Welche Frau von diesen Frauen hat Sie denn selber am meisten beeindruckt?

Nersinger: Das kann ich gar nicht so genau sagen. Das hängt auch sehr stark von der Zeitepoche ab. Auch im Negativen haben wir Frauen, die sehr eindrucksvoll sind. Zum Beispiel im 17. Jahrhundert haben wir eine Schwägerin des Papstes, Olimpia Maidalchini, die einen negativen Einfluss ausgeübt hat. Man kam nur noch zum Papst, wenn man die Fürsprache dieser mächtigen Frau hatte. Das führte auch zu Exzessen, wie etwa in der Marienkirche des Papstes, wo es sogar zu einem Kampf mit dem Domdechant dieser großen Basilika kam.

DOMRADIO.DE: "Neue Frauen braucht der Papst", heißt die letzte Überschrift des Kapitels. Haben denn die alten ausgedient oder fehlt der Nachwuchs oder wie meinen Sie das?

Nersinger: Man kann beobachten, dass in den letzten drei Pontifikaten von Johannes Paul II., Benedikt XVI. und jetzt Franziskus die Frauen eine noch größere Rolle spielen als zuvor - auch institutionell. Sie nehmen immer wichtigere Ämter ein. Sogar in den Kongregationen, die früher fast ausschließlich in der Leitungsebene Männern vorbehalten sind, stehen sie schon in der dritten Stufe. Das ist schon imponierend. Es scheint so, dass man im Grunde alles mit Frauen besetzen kann, was nicht unbedingt eine Weihe erfordert.

DOMRADIO.DE: Im Augenblick wird wieder verstärkt über Frauen in Führungspositionen, in der Priesterausbildung oder gar in geweihten Ämtern gesprochen. Papst Franziskus hat eine Kommission ins Leben gerufen, die die historische Entwicklung auf ein mögliches Diakonat der Frau untersuchen soll. Glauben Sie denn, dass am Ende von alledem etwas umgesetzt wird? Was erwarten Sie?

Nersinger: Ich glaube weniger daran. Ich denke, das ist auch nicht nötig. Wir sprechen heute generell von einem Problem des Klerikalismus. Wir sollten gar nicht auf diesen Zug aufspringen. Ich denke, Frauen können heute schon im Vatikan Positionen einnehmen, die sehr wichtig sind. Ich denke jetzt nicht nur an die Kongregationen. Die neue Chefin der Vatikanischen Museen - immerhin eine der größten Museenlandschaften auf der Welt - ist eine Frau. In den Redaktionen von Vatican News sitzen auch in den Führungspositionen sehr, sehr viele Frauen. Ich denke, das macht doch sehr viel Hoffnung.

DOMRADIO.DE: Einiges hat sich seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil aber auch geändert, oder?

Nersinger: Man kann das fast ein bisschen dem Zweiten Vatikanum zum Vorwurf machen. Bis zum Zweiten Vatikanum war es zum Beispiel durchaus möglich, dass man die Jurisdiktion und die Weihe voneinander trennen konnte. Das hat das Zweite Vatikanum wieder zusammengeführt. Bis dahin war es also eigentlich theoretisch möglich, dass Frauen dann auch Leitungsfunktionen innerhalb der Kirche einnahmen, die ungewöhnlich waren.

Wir haben ja auch Beispiele im Mittelalter von Äbtissinnen, die wirklich fast die Macht und die Autorität eines Bischofs hatten. Ich denke da an Reichäbtissinnen im Bereich des römisch-deutschen Reiches, die doch sehr viel Einfluss hatten. Das hat man wahrscheinlich beim Vatikanum nicht so ganz bedacht, dass man sich dadurch eine kleine Möglichkeit verbaut hat.

Aber ich denke, dass Frauen innerhalb der Kirche immer mehr eine wichtige Rolle spielen werden. Man sieht es im Vatikan auch, wenn man einmal auflistet, wie viele Frauen dort arbeiten. Ich glaube, im vergangenen Jahr waren es 700 Frauen, die im Vatikan gearbeitet haben. Das sind fast 20 Prozent der Mitarbeiter des Heiligen Vaters. Man muss auch bedenken, dass der Vatikan insoweit sehr frauenfreundlich ist, weil Frauen und Männer im Vatikan das Gleiche verdienen.

Das Interview führte Heike Sicconi.

 

Ulrich Nersinger trifft Franziskus / © privat
Ulrich Nersinger trifft Franziskus / © privat
Quelle:
DR
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