Gefeiert wird eine wissenschaftliche Sensation: Amerikanischen Ärzten sei es weltweit erstmals gelungen, ein Kind mit dem Erbgut dreier Menschen zu erzeugen, berichtete das Wissenschaftsmagazin "New Scientist" am Dienstagabend. Der Junge wurde in Mexiko geboren, weil die von den Medizinern angewandte Methode der künstlichen Befruchtung dort nicht verboten ist.
Allerdings sind die Medienberichte nicht ganz korrekt. Denn eine Internetrecherche zeigt, dass weltweit bereits 30 bis 50 Menschen mit dem Erbgut von drei Eltern leben: Sie wurden Ende der 90er Jahre nach einer sehr ähnlichen gentechnischen Methode gezeugt - bis dann die US-Behörden 2002 diese Behandlung verboten, weil es Missbildungen gab.
Erbkrankheit sollte verhindert werden
Ging es damals um Unfruchtbarkeitsbehandlungen, so geht es jetzt darum, die Weitergabe von Erbkrankheiten zu verhindern. Die aus Jordanien stammende Mutter ist Trägerin des sogenannten Leigh-Syndroms, allerdings nicht erkrankt. Der Gendefekt ist in den Mitochondrien, den "Kraftwerken der Zellen", verortet. Die beiden Kinder, die die Frau zur Welt brachte, starben früh an der Krankheit.
Das Ärzteteam um John Zhang, Direktor am New Hope Fruchtbarkeitszentrum in New York, setzte deshalb eine neue Eizelle zusammen: Die Mediziner entnahmen aus einer Eizelle der Mutter den gesunden Zellkern und pflanzten ihn in die - bis auf die Mitochondrien - entkernte unbefruchtete Eizelle einer Spenderin ein. Erst dann wurde das Ei mit dem Sperma des Vaters befruchtet. Der bereits im April geborene Junge ist den Angaben zufolge bislang gesund.
Der Deutsche Ethikrat befasste sich bereits mit dem Thema
Über die sogenannten Drei-Eltern-Kinder wird seit Jahren heftig diskutiert. 2014 befasste sich auch der Deutsche Ethikrat mit dem Thema. 2015 erlaubte Großbritannien als erstes Land der Welt die Erzeugung von Embryonen mit drei genetischen Eltern. Nach damaligen Schätzungen leiden im Vereinigten Königreich 2.500 Frauen an einer vererbbaren Mitochondrienkrankheit.
Ethische Fragen stellen sich an mehreren Punkten: Ist die Methode ausreichend sicher, und wie reagieren die Gene der beiden Mütter aufeinander? Und welche rechtlichen und psychologischen Folgen hat die neue Konstellation? Kritiker mahnen, dass die Methode in die Keimbahn des Menschen eingreift - was bisher verpönt ist. Das veränderte Erbgut wird an alle Nachkommen weitergegeben. Mit ungewissen Folgen. Der Tübinger Evolutionsbiologe Klaus Reinhardt sagte 2014 beim Deutschen Ethikrat, selbst bei Tierversuchen gebe es noch keine Langzeitstudien.
Warnung vor Designerbabys
Immer wieder werden mit Blick auf Eingriffe in die Keimbahn auch Warnungen vor der Schaffung von Designerbabys laut. Allerdings: Beim diskutierten Verfahren werden die genetischen Informationen der Mutter komplett weitergegeben.
Gravierende ethische Fragen sieht der Freiburger katholische Theologe Eberhard Schockenhoff vor allem bei der in Großbritannien zugelassenen Methode, bei der beide Eizellen vor dem Transfer des Kerns befruchtet werden und dabei zwei potenziell entwicklungsfähige Embryonen entstehen. Letztlich werde eine der beiden Eizellen nur befruchtet, um Biomaterial zur Erzeugung eines Menschen zu produzieren, kommentierte er. Ähnlich dachten wohl auch die jetzt in Mexiko behandelten jordanischen Eltern: Sie lehnten diese weiter gehende Methode aus religiösen Gründen ab.
Rechtliche, soziale und psychologische Fragen bleiben offen
Ein weiteres Thema sind rechtliche, soziale und psychologische Fragen rund um die Elternschaft. Ethiker halten die neue Methode für problematisch, weil eine gespaltene Elternschaft entsteht. Die Fortpflanzungsmedizin sei ein hoch kommerzialisierter Bereich, der alle medizinischen Möglichkeiten austeste, ohne über die Folgen für die Identität der Kinder und elterliche Verantwortung nachzudenken, warnen auch Theologen. Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung sei zentral.
Großbritannien hat hier eine rechtliche Lösung getroffen. So soll die Spenderin der entkernten Eizelle anonym bleiben. Ein Verwandtschaftsverhältnis schließt das Gesetz aus. Der Einfluss des Erbguts aus den Mitochondrien auf die Persönlichkeit des Kindes sei verschwindend gering, betont die britische Ethikkommission.