Neuer Jesuitenprovinzial tritt Amt an

Macht für den Dienst an Gott und Mensch

Stefan Kiechle, zuletzt Oberer der Mannheimer Jesuitenkommunität, hat die Leitung der Deutschen Provinz der Jesuiten übernommen. Er ist turnusgemäß Nachfolger von Pater Stefan Dartmann, der das Amt seit sechs Jahren innehatte. Dartmann war erster Provinzial der Deutschen Provinz, die 2004 nach der Vereinigung der Ober- und Norddeutschen Provinzen der Gesellschaft Jesu entstand.

 (DR)

"Nehmen Sie Ihre Macht an und üben Sie sie aus. Sie ist ein gutes Mittel, um Gutes zu tun." Das ist der erste von zwölf Leitsätzen zum Umgang mit Macht, die der Jesuit Stefan Kiechle 2006 in einem kleinen Buch für den echter-Verlag niedergeschrieben hat. Damals war er Novizenmeister in Nürnberg. Nun kann der Ordensmann unter Beweis stellen, wie er es mit seinen Ratschlägen selbst hält.



Der Wechsel von seinem Vorgänger Stefan Dartmann (53) erfolgt in stürmischen Zeiten. Ende Januar hatte der Generalobere in Rom die Personalie turnusgemäß entschieden. Da ahnte noch keiner, dass kurz darauf ein "Tsunami" über die Jesuiten in Deutschland hereinbrechen sollte, wie Kiechle die Situation beschreibt. Erst im März gab der Orden den Namen des neuen Mannes etwas verspätet bekannt. Es sollte der Eindruck vermieden werden, der Wechsel an der Spitze sei eine Folge des Missbrauchsskandals.



Ablehnen hätte Kiechle die neue Aufgabe nicht dürfen. "Das ist der Gehorsam", sagt er. Seit einigen Wochen ist der Pater dabei, sich von Dartmann informieren und einarbeiten zu lassen. Um die 400 Patres und Brüder zählt die deutsche Provinz, zu der auch die skandinavischen Städte Kopenhagen, Stockholm und Uppsala gehören. Selbst wenn 2010 fünf neue Mitbrüder eintreten, dürfte ihre Gesamtzahl in den kommenden 15 Jahren bis auf 250 sinken.



Bei Kiechle herrscht dennoch Aufbruchstimmung: "Die Generation zwischen 40 und 55 Jahren, die jetzt Verantwortung trägt, ist eine starke Gruppe." Da die Zahl der Mitglieder aber weniger werde, seien Prioritäten zu setzen. Trotz Finanzproblemen möchten die Jesuiten ihre Hochschulen und Kollegien weiter führen, "weil sie wertvoll sind". In dieser Linie weiß sich der Orden von Benedikt XVI. unterstützt. Der Papst hatte die Jesuiten bestärkt, sich auf intellektueller Ebene mit der Welt auseinanderzusetzen.



Doch das Etikett eines "reinen Bildungsordens" will man sich nicht anheften lassen. Ein weiterer Schwerpunkt soll deshalb mit ignatianischer Spiritualität in der City-Pastoral gesetzt werden. Gute Erfahrungen und Nachfrage gibt es aus Göttingen, München, Nürnberg, Leipzig und Hamburg zu vermelden. Kiechle selbst hatte zuletzt drei Jahre die Beratungsstelle "Offene Tür "in Mannheim geleitet und war Oberer der dortigen Jesuitenkommunität gewesen.



Überhaupt ist der Mann viel herumgekommen. Nach Studien der Theologie in Freiburg und Jerusalem, trat er 1982 in die Gesellschaft Jesu ein. Danach folgten Studien der Theologie und Philosophie in München und Frankfurt, ein Promotionsstudium in Paris und ein Auslandsaufenthalt in Chile. 1989 wurde Kiechle zum Priester geweiht. Auch Studentenpfarrer an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität ist er für drei Jahre gewesen.



Wichtig ist dem neuen Provinzial der Umgang miteinander. Visionen und Ideen sind wichtig, aber die Umsetzbarkeit sei im Dialog zu erarbeiten. Mangelnde Kommunikation in der weiter zurückliegenden Vergangenheit sehen Kiechle und Dartmann als einen der Gründe für die Missbrauchsfälle an. Dazu kommen umstrittene Strukturen, die die Möglichkeiten zum unentdeckten Übergriff boten.



Beim "Eckigen Tisch" im Juni, den Opferinitiativen ins Leben riefen, nahmen Dartmann und sein Nachfolger gemeinsam teil. So schwer diese Situation für den Orden sei, Kiechle sieht sie als Chance für einen geistigen Erneuerungsprozess. Kein Novize sei abgesprungen, weil er deshalb mit den Jesuiten nichts mehr zu tun haben wolle. Selbst die Anmeldezahlen an den Schulen zeigten keine Einbrüche.



Für den Orden bleibt es eine Herausforderung, wie mit Tätern oder Mitwissern in den eigenen Reihen umgegangen wird. An Maßnahmen zur Prävention wird gearbeitet. Im Gespräch bleiben die Jesuiten auch am Runden Tisch, an dem neben Vertretern von Kirchen- und Orden auch andere Einrichtungen sowie die Politik teilnehmen. Dort wird nach wie vor über Entschädigungszahlungen beraten.