Neuer Kardinal aus Belgrad gibt nicht viel auf Würdentitel

"Ich bin weiterhin Herr Nemét"

Um den Respekt der Mitmenschen zu verdienen, braucht es keine Titel, meint der frisch ernannte Kardinal Ladislav Német. Er verrät, wie er an seine neuen Gewänder kommt und wie der Papst über seinen blauen Fleck im Gesicht witzelt.

Ladislav Nemet / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Ladislav Nemet / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Ernennung zum Kardinal. Wie haben Sie das Konsistorium am Wochenende erlebt? 

Kardinal Ladislav Német (Erzbischof von Belgrad): Es war sehr schön, bewegend, berührend. Dieses Erlebnis, ganz einfach mit dem Papst und anderen Kardinälen zusammen zu sein, war sehr schön. 

Aber noch schöner war die Reaktion von meinen Verwandten, von meinem Bruder, seinen Kindern und Enkelkindern. Sie sind alle nach Rom geflogen und es gab dort ein sehr großes Familientreffen. Das war wichtiger für mich. Ich habe so viele Menschen getroffen, dass ich am Ende nicht einmal wusste, wer ich bin und wer die anderen Gäste sind. Gott sei Dank, ist alles gut gegangen. 

Aber es war auch religiös sehr wichtig. Ich habe durch die Worte des Papstes, die Lesungen, die heilige Messe, die wir im Petersdom gefeiert haben, Tiefe erlebt. 

Der Humor des Heiligen Vaters ist unglaublich. Er sieht schwach aus, seine Stimme ist schwach und er hatte diesen blauen Fleck im Gesicht. Als er uns nach der Messe begrüßt hat, hat der Kardinal aus Tokio ihn gefragt, was passiert sei. Er hat kein Wort gesagt, sondern nur mit einer Geste gezeigt, dass ihm jemand ins Gesicht geschlagen hätte. Ich habe gefragt, ob es ein Priester oder ein Kardinal war. Der Papst hat geantwortet, dass es ein Priester war, den er nicht zum Kardinal ernannt habe. 

Wir haben alle wild gelacht. Das hat mich mit viel Freude erfüllt. 

DOMRADIO.DE: Gut 250 Kardinäle gibt es auf der Welt, nun gehören Sie dazu. Es muss einiges dafür geregelt sein. Sie brauchen neue Gewänder, haben ein neues Wappen bekommen und werden jetzt mit Eminenz angesprochen. Wie läuft das alles organisatorisch ab? 

Kardinal Német: Im Moment meiner Ernennung war ich glücklicherweise in Rom, da ich an der Synode teilnahm. Zumindest das Drumherum um die Gewänder und alles andere, was mich sichtbar zum Kardinal macht, konnte ich noch in Rom erledigen. Alles war dort vorbereitet und hat in meinem Zimmer auf mich gewartet.

Hier in Belgrad war viel mehr zu tun. Ich habe Gott sei Dank einen neuen Sekretär gefunden, nur für die Aufgaben, die mit dem Kardinalstatus verbunden sind. Das ist wirklich ein guter Mann, er spricht verschiedene Sprachen, kennt die römische und auch die vatikanische Kultur. Das ist sehr wichtig.

Ich muss zukünftige Treffen und Aufgaben mit dem Kalender der Erzdiözese zusammenführen. Ich hoffe, dass das gut gehen wird. Wir haben ein bisschen mehr Zeit, jetzt kommen die Feiertage und wahrscheinlich wird der Vatikan auch nicht so streng arbeiten. Dann habe ich die Chance, dass ich ab Mitte Januar alle diese Sachen im Griff habe.

Papst Franziskus begrüßt Laszlo Nemet / © Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus begrüßt Laszlo Nemet / © Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Spielt es für Sie eine Rolle, dass Sie künftig anders angesprochen werden? 

Kardinal Német: Es spielt für mich keine Rolle. Meine Mitarbeiter nennen mich weiterhin Vater oder Pater. Diesen Titel "Eminenz" benutzen wir zwar in der serbischen Sprache, haben aber kein Äquivalent dafür in unserem eigenen Wortschatz. Die Kroaten haben ein besonderes Wort für "Eminenz", das bedeutet auf Deutsch: Jemand, der ein gutes Beispiel gibt. Aber in der serbischen Sprache ist das nicht angekommen. 

Ich werde beobachten, wie die serbische Kultur darauf reagieren wird, was für eine Lösung gefunden wird. Für mich bedeutet das nicht viel. Ein Titel ist ein Titel. Wenn Sie mich respektieren, geht das auch ohne Titel ganz einfach. Die meisten Menschen, die ich in Serbien kenne, haben mich Herr Német genannt und können das kann auch weiterhin tun. In offiziellen Empfangsprotokollen wurde der Titel "Eminenz" seitens der Regierung schon eingeführt.

DOMRADIO.DE: Die katholische Kirche ist in Serbien in der Minderheit. Was für ein Signal sehen Sie darin, dass Papst Franziskus den Erzbischof von Belgrad zum Kardinal gemacht hat? 

Kardinal Német: Mit dem Papst kann man sich auf viele Überraschungen gefasst machen. Ich bin an den Rändern, an der Peripherie Bischof. Etwa vier Prozent aller in Serbien lebenden Bürger sind Katholiken, das ist eine Kleinigkeit. Wir leben in verschiedenen Diasporas. Besonders meine Erzdiözese in Belgrad ist eine Diaspora-Diözese. 

Die Kirche Maria Namen in Novi Sad (Vojvodina) / © Sergey Fedoskin (shutterstock)
Die Kirche Maria Namen in Novi Sad (Vojvodina) / © Sergey Fedoskin ( shutterstock )

Die meisten Katholiken leben in der Vojvodina. Das ist ein Teil Serbiens, der bis Ende des Ersten Weltkrieges der österreichisch-ungarischen Monarchie gehörte. Dort sind etwa 90 Prozent der Menschen Katholiken. Die Entscheidung von Franziskus empfinden viele als große Freude und Unterstützung. Die meisten sind sehr stolz darauf, dass wir als katholische Kirche in Serbien jetzt sogar einen Kardinal haben. Ich freue mich, dass viele meine Ernennung als eine Unterstützung für diese kleine Herde empfinden.

DOMRADIO.DE: Sie dürfen als Kardinal nun an einer künftigen Papst-Wahl teilnehmen. Es gibt die Vermutung, dass Franziskus die Kardinäle so auswählt, dass die einen Nachfolger in seinem Sinne bestimmen. Wie schätzen Sie das ein?

Kardinal Német: Ich bin überzeugt, dass jeder von uns, wenn er wichtige Mitarbeiter auswählt, Menschen wählt, mit denen er sich eine gute Zusammenarbeit erhofft, sei es in der Politik, der Wirtschaft oder in der Kirche. Der Papst macht das auch so. Wir wissen, dass die Veränderung der Rolle und die Macht, die mit einer Ernennung einhergeht, die Menschen verändert. Das ist immer interessant zu beobachten. 

Einige Menschen mit viel Macht werden zu andere Persönlichkeiten, andere bleiben so, wie sie sind. Deswegen kann man das nie garantieren. Ich glaube nicht, dass Bergoglio als Kardinal alle Wünsche des Papstes, der ihn ernannt hat, erfüllt hat. 

Die Besonderheit von höheren Funktionen ist, je mehr Macht du hast, desto mehr Möglichkeit hast du, zu verstehen, zu verbinden, Informationen zu kriegen. All diese Elemente ändern zwar nicht die Identität einer Person, aber die Möglichkeit, neue Lösungen zu finden. Und die werden nicht immer in die erwünschte Richtung gehen. 

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Zusammensetzung des Kardinalskollegiums

Papst Franziskus hat am 7. Dezember 21 Geistliche in den Kardinalsstand erhoben. Ein Überblick über das aktuelle Kollegium:

  • Ernennungen: Seit dem 7. Dezember 2024 gibt es 253 Kardinäle. 140 von ihnen wären bei einem Konklave aktuell stimmberechtigt, weil sie noch nicht älter als 80 Jahre alt sind. 

    Insgesamt 149 der heute lebenden Kardinäle wurden von Papst Franziskus ernannt, 110 von ihnen wären heute berechtigt, einen neuen Papst zu wählen. Damit wurden bereits mehr als Dreiviertel eines künftigen Konklaves von Franziskus eingesetzt.

Tarcisio Isao Kikuchi (r), Erzbischof von Tokio, Japan, erhält von Papst Franziskus, das Kardinalsbirett und den Kardinalsring / © Gregorio Borgia/AP (dpa)
Tarcisio Isao Kikuchi (r), Erzbischof von Tokio, Japan, erhält von Papst Franziskus, das Kardinalsbirett und den Kardinalsring / © Gregorio Borgia/AP ( dpa )
Quelle:
DR